Stollen 1

Mit der Ausstrahlung des Filmbeitrages “Operation Puschkin”, zuerst im ZDF, später u.a. auf Phoenix, kam das Objekt “Schwalbe V” öffentlich in den Blickwinkel der Bernsteinzimmerjäger. Stollen 1 wurde nicht nur als Zugang zu den vermuteten weiteren Anlagenteilen von Schwalbe V gehandelt, sondern auch als Einlagerungsort für das Bernsteinzimmer. Im Film sah das, was Chefhistoriker Knopp dem Zuschauer als Wahrheit verkaufte, dann so aus:

Die weißen Objektteile auf dem Bild sind die geweissagten Bestandteile, die heute nicht mehr betreten werden können. Gelbe Bestandteile sind die in der jüngeren Vergangenheit betretenen Bereiche, deren Lage und Länge als absolut sicher angesehen wird – jedenfalls bei Herrn Knopp. Das Gebilde, was uns da vorgesetzt wurde, hatte verblüffende Ähnlichkeit mit der spiegelverkehrten Anordnung von Schwalbe 1.

Der im Film benutzte Luftbildausschnitt, auf dem wild herumspekuliert wurde, ist das 53-er Luftbild der russischen Befliegung (07.06.1953). Auf dem Bild befindet sich Stollen 1 ganz links. Das Luftbild vom 19.07.1945 hat man dem Zuschauer vorenthalten. Aus gutem Grund. Eine Sprengung ist auf diesem Bild nicht zu sehen.

Stollen 1 des Objektes Schwalbe V gilt als schwer sperrgesprengt. Die spezielle Sprengung soll Stollen 1 hermetisch geschlossen haben und deutschen Ursprungs sein. Jedenfalls sagte das Herr Müller in der genannten TV-Dokumentation. Ein einfacher Blick auf das oben genannte 45- er Luftbild hätte schon ausgereicht, den Anfangsverdacht zu begründen, daß diese These wohl nicht ganz haltbar ist. Darüber hinaus soll Stollen 1 ein Eisenbahnstollen in Normalspur gewesen sein. Mit letzterer Behauptung werden wir uns an anderer Stelle auseinandersetzen.
Betrachten wir zuerst einmal ein Bild, das die Sprengstelle und deren Umfeld außen zeigt:

In der Tat sieht der Bereich seltsam aus. Der Stollen ist – verglichen mit den anderen gesprengten Stollen – viel weiter im Berg gesprengt, der Bereich vor dem Stollen bietet ein völlig anderes Bild. Die Sprengstelle sitzt tiefer im Berg, das Gestein über der Sprengstelle sieht aus wie heruntergebrochen und stützt so die These von der schweren Sprerrsprengung. Stutzig wurden wir, als wir die Seitenbereiche der Sprengstelle betrachteten. Hier ist deutlich zu sehen, das wir es in diesem Bereich mit einer geologischen Störung zu tun haben. Die natürlich Schichtung der Gesteinsschichten ist steil aufgestellt. Diese Faltung setzt sich bis in den Bereich des Stollenverlaufes fort und sorgt für das Bild, was sich bei der Betrachtung der 1 bietet. Oder anders: Es sieht schon außen nicht nach einer schweren Sperrsprengung aus, sondern nach einer ganz natürlichen geologischen Situation. Wie gestandene Feldforscher zu einer anderen Einschätzung kommen können, ist uns gelinde gesagt unklar. Und wie dergleichen ins TV kommt, erst recht.

Zwischenzeitlich wurden diverse Versuche unternommen, um dem Geheimnis von Stollen 1 auf die Spur zu kommen. Das reichte von Messungen über Verträge mit großen Illustrierten bis hin zum Einsatz von Kameras. Gerüchte machten sich in der Szene breit. Angeblich sollte im Stollen aus Sicht der Kamera Betonierungen zu sehen sein, links sollte die Betonwand eingefallen sein. Die Rede war auch von einem Stein mit der Aufschrift R 17 – also Richtstrecke 17.

Irgendwann in 2004 hatten unbekannte Menschen einen Zugang zu Stollen 1 geschaffen. Eine gute Gelegenheit, einen Blick in den Stollen zu werfen und die Thesen zu prüfen. Wir haben das natürlich auch getan.

Wie oben zu sehen, ist das mit dem Zu”gang” nicht so richtig wörtlich zu nehmen….
Dafür war das Bild, was sich im Stollen bot, vollkommen normal für den Standort Schwalbe V. Der Stollen verläuft zuerst in Richtung aller anderen begangenen Stollen in den Berg hinein.

Vorbei an Lorenresten geht es auf einen Haufen feines Blockwerk zu. Ca. 43 m vom ehemaligen Stollenmundloch entfernt beginnt Stollen 1 die Richtung langsam bis zu 15° Ost zu ändern. Auf dem obigen Bild ist das in Ansätzen zu erkennen. Die Marken an der rechten Stollenwand kennzeichnen den Wasserstand im Stollen. Die Abmessungen entsprechen mit 5 x 5 Metern denen der anderen begangenen Stollen.

Der Haufen Blockwerk entpuppt sich bei näherer Betrachtung als seitlich/ firstig herausgebrochenes Material aus einer geologischen Störung. Beton ist nirgends zu erkennen, einen Ausbau gibt es nicht.

 

Dieses Bild zeigt den Blick aus Richtung Ortsbrust auf den Haufen aus Blockwerk. Unten im Wasser sind die noch vorhandenen Gleise und ein Weichenbereich im Ansatz zu erkennen.

Nach ca. 84 Metern endet Stollen 1 ohne weitere Besonderheiten in der Ortsbrust. Es gibt keine Abzweige, keine begonnenen Arbeiten dazu oder ähnliche Hinweise. An der Ortsbrust ist erkennbar, das hier mit Mehrscheibenabbau gearbeitet wurde. Es gibt keinerlei Verdachtsmomente, daß im Stollenverlauf etwas getarnt wurde.

Damit ist klar: Stollen 1 ist ein Stollen wie jeder andere bekannte in Schwalbe V auch. Geheimnis gibt es dort keines.

Und was haben wir noch gelernt? Eigentlich drei Dinge:

  • Auch gelernte Historiker spekulieren gern und vergessen das zu erwähnen, wenn es um Fördermittel, Einschaltquoten und Sponsorengelder geht.
  • Feldarbeit ist unverzichtbar.
  • Nicht glauben. Überprüfen!

Der Zugang ist mittlerweile wieder verschlossen und unkenntlich. Genehmigungen für Arbeiten im Bereich Schwalbe V gibt es keine. Man gedenkt Informationen weiterhin aus Weissagungen zu erhalten.

Wir bedanken uns bei allen Personen, die uns mit Informationen von der Situation vor Ort versorgt haben und ohne deren Hilfe dieser Bericht nie entstanden wäre. Und deren Namen wir hier aus verständlichen Gründen heraus nicht nennen werden.

© Dieter TD/ PeMü/ Schachtleiter/ Jenny TD/ Annett 2004