Der Beginn
1939 wurden im Auftrag des OKM erste Funkempfangsversuche auf dem späteren Gelände der Anlage vorgenommen. Man suchte in der Umgebung von Berlin einen geeigneten Standort zur Führung der U- Boote auf See.
Zum Verständnis für alle Nicht- Funker – und die Funker mögen mir verzeihen… Zur Überbrückung der weiten Entfernungen bis zu den U- Booten sind sehr große Sendeleistungen erforderlich gewesen. Die Antworten von den U- Booten zum Führungsstab hingegen kamen mit äußert geringen Feldstärken an. Es erscheint logisch, das der Betrieb eines starken Senders in der Nähe derjenigen Stelle, wo die Funksprüche von den U- Booten aufgenommen werden sollten, den Empfang massiv gestört hätte. Also trennte man Sende- und Empfangsstellen räumlich; ein Verfahren, das im militärischen und komerziellen weltweiten Funkbetrieb auch heute noch angewendet wird – wenn auch z.T. aus anderen Gründen heraus. In der Praxis bedeutet dies vereinfacht gesagt, das sich in Koralle nur Empfänger und die notwendigen Zusatzgeräte befunden haben. Mußte ein Funkspruch abgesetzt werden, so wurden die in Koralle erzeugten Signale über Fernleitungen zu weit entfernten Sendern (z. B. Goliath bei Kalbe/ Milde) übermittelt und von dort gesendet. So entstanden keine Empfangsbeeinträchtigungen. Einzelheiten der Funkbetriebstechnik und der verwendeten Geräte können fachkundige Leser auf der Seite Marinefunk ergründen.
Nun sind nicht alle Standorte gleich gut für eine Funkempfangsstelle geeignet, denn es spielen eine Unzahl von Faktoren eine Rolle, ob die Empfangsbedingungen an einem Ort gut oder schlecht sind. Koralle erschien dem OKM geeignet, denn wenig später wurde das den Lobethaler Anstalten gehörende Feld- und Waldgebiet mit einer Fläche von 54 Hektar beschlagnahmt und mit dem Bau der Anlagen begonnen. Aus den Akten des Reichspostministeriums geht hervor, das erst Ende 1939 die Entscheidung des OKM getroffen wurde, auch einen Drahtnachrichtenbunker (ähnlich wie im Objekt Zeppelin – Zossen) zu errichten. Als Standort wurde ein See (ebenfalls in unmittelbarer Nähe von Koralle) festgelegt. Die Planungen wurden jedoch nicht zu Ende geführt und Ende Juni 1941 teilte das OKM dem Reichspostministerium mit, dass man das Projekt Drahtnachrichtenbunker nicht mehr weiter verfolgen würde, am Funknachrichtenbunker jedoch festhalte.
Der Bau
Dieser Funknachrichtenbunker wurde 1940/ 1941 unter Leitung des Marine- Standortbauamtes errichtet. Es handelt sich um das Objekt, welches wir heute als Nachrichtenbunker bezeichnen. Äußerlich kennzeichnend waren 4 Stahlgittermasten von je 70 bis 80 Meter Höhe zur Aufnahme der Empfangsantennen und ein ca. 60 bis 80 Meter hoher Stahlgittermast südsüdöstlich des Nachrichtenbunkers zur Aufnahme einer Richtfunkantenne. Die Anbindung an das Post- Drahtnetz erfolgte in den Jahren 1941 und 1942. Ende 1941 waren die Leitungen nach Nauen, Oebisfelde und Herzsprung zur Schaltung bereit, im Juli 1942 auch die Leitung zum Sender Goliath. Die Bauarbeiten im Gelände gingen jedoch weiter. Ende 1943 wurde ca. 500 Meter nördlich des Nachrichtenbunkers ein Wohnhaus für Dönitz und ein Casino errichtet. Auch an anderen Gebäuden im Areal wurde gearbeitet. So wurden Holzbaracken für verschiedene Zwecke errichtet und Löschteiche angelegt. Diese Löschteiche haben unregelmäßige Formen, um die Luftaufklärung zu erschweren. Deshalb wurden sie früher unter der Bevölkerung immer als Nachbildung der Weltmeere gedeutet. Es handelt sich aber wirklich nur um Löschwasserteiche. 1944 entstanden in Tag- und Nachtarbeit unter sehr schwierigen Wetterbedingungen zwei weitere Bunker, die heute als Flakbunker und Hochbunker bezeichnet werden. Dabei kamen auch neue Technologien zum Einsatz.
Die Benutzer
Nach jetzigem Forschungsstand sah die zeitliche Abfolge wie folgt aus: Am 30.01.43 verlegte der Stab der Befehlhaber der U- Boote (BdU) in das neue Objekt. Einige Monate später kam die BdU- Hauptfunkstelle ebenfalls nach Koralle. Zu dieser Zeit hatte der Befehlshaber der U- Boote (Dönitz) seine Befehlsstelle noch in Berlin- Charlottenburg, wohin alle ein- und ausgehenden Funksprüche über Drahtverbindungen gemeldet wurden. Am 30.01.44 (nach anderen Quellen bereits am 16./ 17.12.43) bezog auch die Seekriegsleitung das Quartier Koralle, während die wichtigsten Abteilungen des OKM noch in der Befehlsstelle Bismarck in Eberswalde verblieben. In das neue Quartier wechselten nur die Operationsabteilung, Teile der dritten Seekriegsabteilung, der Marinenachrichtendienst sowie das Quartiermeisteramt. Bereits am 08.02.45 (nach anderen Quellen 02.02.45) wurde das Stabsquartier nach Sengwarden verlegt, am 19.04.45 erfolgte der Befehl zur endgültigen Räumung und zur Verlegung nach Plön (Objekt Forelle).
Die letzten Tage
Gesichert scheint, das nach der Verlegung nach Sengwarden nur noch eine Notbesatzung in Koralle verblieb, die die wichtigsten Funkverbindungen (z.B. die BdU- Welle) weiter betrieb. Am 17.04.45 erfolgte ein Luftangriff auf die Befehlsbunker, der jedoch nur unerhebliche Zerstörungen zur Folge hatte. Am 20.04.45 wurde eine bunt durcheinandergewürfelte Kompanie aus Kampfschwimmern, die am benachbarten See ausgebildet wurden und der verbliebenen Koralle- Besatzung aufgestellt. Angesichts der schnell vordringenden russischen Armee wurden am 21.04.45 die Nachrichtenanlagen im Hauptfunkgebäude der hineingeworfene Handgranaten zerstört, das Notstromaggregat durch Heißlaufen unbrauchbar gemacht. Die Antennenmasten sollen durch Handgranatenbündel gesprengt worden sein, was der Autor (selbst jahrelang beruflich mit Munition und Sprengstoffen befaßt) jedoch bezweifelt. Am gleichen Tag nahmen russische Streitkräfte das Areal ein.
Die Nachkriegsverwendung
Mit Ausnahme des Dönitz- Hauses wurden alle anderen Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, natürlich erst, nachdem verwertbare Gegenstände teils durch die russischen Streitkräfte (Fernmeldematerial), teils durch die örtliche Bevölkerung (Einrichtungsgegenstände, Baumaterial) entnommen wurden. Leider ist es uns noch nicht gelungen festzustellen, in welcher Reihenfolge und vor allem durch wen Sprengungen an den Bunkern und Antennenmasten erfolgten. Gesichert ist, das wenige Wochen nach der Einnahme von Koralle eine erste Sprengung am Hochbunker und Flakbunker erfolgte. Eine weitere Sprengung erfolgte im Frühjahr 1946. Dann blieb es still um Koralle, bis Ende der 50- er Jahre der Nachrichtenbunker von der damaligen GSSD als Munitionsbunker verwendet wurde. Vermutlich Ende der 60- er Jahre (nach Verlegung des Munitionsdepots auf die gegenüberliegende Straßenseite der Ortsverbindungsstraße und weiteren Umbauten) wurde der Nachrichtenbunker als Kommandonachrichtenzentrale der 20. russischen Gardearmee genutzt. Aus dieser Zeit liegt sehr wenig verwertbares Material vor. Das angrenzende Gelände diente den Berliner Volkspolizei- Bereitschaften als Übungsgelände. Zu diesem Zweck wurde die Ruine des Flakbunkers mit Befestigungen versehen und südlich ein sogenanntes Häuserkampfobjekt errichtet. Im Mai 1992 schließlich übergab die GSSD das Areal des Nachrichtenbunkers dem Bundesvermögensamt, nicht ohne vorher die Installationen gründlich unbrauchbar zu machen. Der Bund organisierte bis 1994 eine ständige Bewachung des Objektes, bevor es in Landeseigentum überging. Heutiger Hausherr ist die Brandenburgische Boden Gesellschaft für Grundstücksverwaltung- und verwertung mbH. Wir besitzen seit Juni 1999 einen Gestattungsvertrag mit dem Land Brandenburg, um weitere Forschungen vornehmen.