Wenzeslausgrube

Zur Geschichte der Consolidierten Wenzeslaus- Grube

Es war ein seltener Glücksfall, als sich auf unsere Veröffentlichung zum Bergbau im Südosten der Anlage Riese ein Mann meldete und uns auf Fehler und Unstimmigkeiten hinwies. Es stellte sich heraus, das seine Mutter als Chefsekretärin der Wenzeslaus- Grube gearbeitet hat. So lernten wir Frau J. Schneider kennen, der wir die nachfolgenden Erinnerungen an eine Zeit blühender Bergbaugeschichte verdanken. Eine Geschichte, die es wie wir denken wert ist, aufgeschrieben und der Nachwelt erhalten zu werden.

Der nachfolgende Bericht setzt sich zusammen aus Niederschriften von Frau Schneider sowie Details aus Telefongesprächen und dem Videomitschnitt eines langen persönlichen Gespräches mit Frau Schneider, das sie sehr geduldig über sich ergehen ließ.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die industrielle Steinkohleförderung und -verarbeitung am Eulengebirge. 452 Beschäftigte wies die Wenzeslaus- Grube im Jahr 1895 auf. Gefördert wurden in diesem Jahr 98.000 Tonnen Steinkohle bester Qualität. Doch ab 1893 stagnierte der Absatz, die bisherigen Betreiber dachten über einen Verkauf nach. 1897 übernahm Dr. jur. Gustav Linnartz aus Jonny-aux-Arches bei Metz die Gruben. Der Kaufpreis betrug 450.000 Mark – für die damalige Zeit eine gewaltige Summe. Die Entwicklung des Bergbaubetriebes wurde mit den besten Fachkräften zügig vorangetrieben. Der Walter- Schacht wurde bis in 242 Meter Tiefe abgeteuft, das Feld beträchtlich vergrößert. In Neurode wurde der Ili- Schacht bis in 80 Meter Teufe getrieben, Hausdorf erhielt den Kurt- Schacht und über dessen 2. Sohle 1903 Verbindung zu den Mölker Anlagen, worauf die obertägige Seilbahn nicht mehr gebraucht wurde.

Gemälde eines unbekannten Künstlers, Anfang 20. Jhdt. Im Besitz von Frau J. Schneider

m Jahr 1901 übernahm Dr. Adrian Gärtner, Schwiegersohn der Familie Linnartz und ausgezeichneter Bergbaufachmann, Manager, Finanzexperte und Psychologe die Leitung der Grube. Ein Glücksfall für die Entwicklung der Grube und der Region. Bis 1928 waren sämtliche Betriebs- und Wohnanlagen schon mit Fernwärmeheizung ausgestattet. Besonderer Wert wurde auf den Aufbau einer Infrastruktur gelegt. Bereits 1907 entstand ein Elektrizitätswerk, das die Wohn- und Betriebsanlagen mit Strom versorgte. Dieses Elektrizitätswerk verarbeitete den schwer verkäuflichen Kohleschlamm aus den Wäschen – immerhin rund 170.000 Tonnen pro Jahr. Im Laufe der Zeit entstanden Werkstätten (auch unter Tage), Gragen, diverse Geschäfte, Kasino und Kantine. Sogar an Tennisplatz und ein Hallenschwimmbad mit fest angestelltem Bademeister war gedacht.

Grubengebäude mit Kauen, Hallenbad und Versorgungseinrichtungen (2002)

In den 20- er Jahren war die Grube mit rund 4600 Beschäftigten der größte und modernste Arbeitgeber in der Grafschaft Glatz und überstand die Weltwirtschaftskriese durch das sehr gute Managment fast unbeschadet. Bis zum 30.06.1930. An diesem Tage ereignete sich ein verheerender Kohlesäureausbruch im Kurtschacht, bei dem 151 Bergleute ums Leben kamen. Noch heute erinnert ein Gedenkstein mit den Namen der Opfer auf dem Hausdorfer Friedhof an diesen schicksalhaften Tag. Die Grube mußte stillgelegt werden, es wurde das Konkursverfahren eröffnet. Aus diesem Verfahren konnte Dr. Gärtner nur das Elektrizitätswerk retten und an die E.W. Schlesien verkaufen.

Gebäude der Steinkohlenveredlung und Bahnanschluss (2002)

In der Folgezeit fehlte es nicht an verzweifelten Bemühungen der Belegschaft und Dr. Gärtners, die Grube zu retten und die Produktion wieder aufzunehmen. Man wollte sich nicht mit dem Verlust so vieler Arbeitsplätze abfinden. Über Jahre hinweg stellten sich Fachkräfte ohne Bezahlung zur Verfügung, um notwendige Sicherungs- und Pumparbeiten durchzuführen, die ein Absaufen der Grube erfolgreich verhinderten. Parallel dazu versuchten Mitarbeiter und leitende Angestellte, Kapital für einen Neubeginn zu sammeln. Über eine Firma (nach Erinnerung von Frau Schneider “Giesches Erben, Breslau”) wurden Anteilsscheine zu je 100 RM gezeichnet; manche leitenden Angestellten stellten ihre Sparbücher zur Verfügung. Bis 1939 folgten mehrere Besuche in Berlin, um die Regierung von den Standortvorteilen zu überzeugen. Alle diese Bemühungen waren umsonst, die Produktion konnte (zu Gunsten der minderwertigen Ruhrsteinkohle) nicht wieder aufgenommen werden.

Zu einem bislang nicht genau zu ermittelnden Zeitpunkt – vermutlich 1940 oder Anfang 1941 – wurde das Gelände der Grube Mölke (zugleich Firmensitz) an die Dynamit- Nobel- AG übergeben, die eine Munitionsfabrik errichteten. Über diesen Betrieb werden wir noch gesondert berichten. Die Anlagen der Wenzeslaus- Grube wurden ordnungsgemäß verwahrt, die Einbauten und Technik verwertet.

Noch nicht genau ermittelt werden konnte, ob es nach 1945 noch einmal Versuche einer Wiederaufnahme der Förderung gegeben hat. Einige Indizien sprechen dafür. Wer hierzu Informationen hat – wir sind für jeden Hinweis dankbar.

Schacht und Gebäude auf dem Grubengelände.

Das Gebäude gibt uns Rätsel auf, denn es ist Frau Schneider nicht bekannt. Es ist möglich, daß diese Anlagen ist nach 1945 errichtet wurde.

Die Halde im Vordergrund ermöglichte übrigens sehr gute, wenn auch nicht zahlreich vorhandene pflanzliche Fossilienfunde!

© Dieter TD und Annett 2003 unter Verwendung von Erinnerungen von Frau J. Schneider und ergänzenden Angaben aus dem Taschenbuch “Rund um den Annaberg” – Verlag Grafschafter Bote.