Baudenkoppe

Die umfangreichste und sehr eindrucksvolle Anlage des tschechoslowakischen Fortifikationswesens ist die Artilleriewerkgruppe “Bouda” (Baudenkoppe) unweit vom Suchy vrch südlich von Grulich.

Zu dem Eingangswerk der Werksgruppe kann man über drei Wege gelangen. Die erste Strecke fängt am Bahnhof in Mladkov (Wichstadt) an, läuft über einen rotmarkierten Wanderweg in Richtung Suchy vrch und dauert 60 bis 90 min. Die zweite Möglichkeit stellt die alte grünmarkierte Festungsstraße aus der kleinen Ortschaft Techonin dar, die zu Fuß auch ca. 60 bis 90 min dauert. Leider erfolgte hier am Weg keine extra Ausschilderung des Objektes “Bouda” (Baudenkoppe). Der von allen Zugangsmöglichkeiten kürzeste Weg führt vom Parkplatz an der Hütte am Suchy vrch über einen rotmarkierten Wanderweg in Richtung Mladkov und dauert ca. 40 min.

Das Eingangswerk

Die Eingangsbereiche der Festungssysteme lagen immer auf der vom Feind abgewandten Seite.

Die Führung durch die Werkgruppe dauert etwa eine Stunde, man wandert über mehrere hundert Meter durch Hohlgänge und Hallen tief im Felsmassiv. Vom 1. Mai bis Ende September ist die Anlage samstags und sonntags, im Juni, Juli und August täglich geöffnet.

Die Werksgruppe Baudenkoppe gehört zu fünf baugleich fertiggestellten Werkgruppen. Sie wurde auf dem gleichnamigen Berg südlich von Grulich errichtet. Zusammen mit den Anlagen “Berghöhe” bei Grulich und “Adamsberg” bei Wichstadt sollte sie ein besonderes Bollwerk der Befestigungslinie am Glatzer Kessel bilden.

Den Bauauftrag vergab man am 28.08.1936 an die Baufirma Ing. Zdenko Krulis aus Prag, die Arbeiten begannen am 01.10.1936. Schon im Juli1937 schloß man die Betonarbeiten am ersten Werk ab. Das ganze Bauwerk wurde mit Hilfe von 350 bis zeitweilig 800 Mitarbeitern in der unglaublich kurzen Zeit von 20 Monaten fertiggestellt.

Arbeitsunfälle kosteten insgesamt 5 Arbeitern das Leben. Der schwerste Unfall passierte am 10.11.1936, als bei Tiefbauarbeiten in ca. 20 m Tiefe eine unkontrolliert detonierende Dynamitladung einen Arbeiter sofort tötete. Zwei weitere starben am nächsten Tag an den Folgen ihrer Verletzungen.

Die einzelnen Werke der Festung liegen ca. 800 m hoch, der Gipfel Baudenkoppe liegt bei 845 m. Das höchste Deckgebirge mit 50 bis 56 Meter befindet sich über den Kasernen. Über dem Munitionslager M 1 sind es immerhin noch 34 Meter.

Hauptstollen mit im Hintergrund vom Eingangswerk kommender Treppe
Hauptstollen in Richtung Inneres des Felmassives, dieser Hohlgang endet ca. 750 m hinter dem Eingang

Die Werkgruppe umfaßt fünf Werke der höchsten Ausbaustärke IV. Decken und Frontwände bestehen aus einer 3,5 Meter starken Stahlbetonschicht besonderer Qualität, die bei Volltreffern von Artilleriegranaten bis zu 420 mm und Fliegerbomben mit einem Gewicht von 1000 kg der Festungsmannschaft einen sicheren Schutz bieten konnte. Die Stahlbetonmenge in den oberirdischen Bauwerken beträgt 13556 Kubikmeter. Für die Baustelle wurden insgesamt 10280 Tonnen Zement nach der Militär- Norm “A”, sowie 1184 Tonnen Betonstahl geliefert.

Die Kriegsbesatzung der Festung bildeten 21 Offiziere, 8 Feldwebel und Unteroffiziere sowie 287 Mannschaften. Die Gesamtbewaffnung bestand aus folgenden Waffen: 1 Zwillings- Haubitze Modell 38, 15 schwere Maschinengewehre Modell 37 und 12 leichte Maschinengewehre Modell 26.

Da das große Eingangswerk auf der vom Feind abgewandten Seite lag, diente seine Bewaffnung nur seiner unmittelbaren Verteidigung. Es gab 2 Kampfräume mit dem schweren MG Modell 37 und dem leichten MG Modell 26, die den Bereich vor dem Eingang mit einem Geschoßhagel bestreichen konnten.

In der Decke des Bunkers waren zwei Panzerglocken aus Gußeisen mit 4 Schießscharten und einer Wanddicke von 30 cm installiert, in denen sich ebenfalls je ein leichtes MG befand. Die schwerste der in der Festung verbauten Panzerkuppeln wog 58,7 Tonnen, die leichteste Glocke 51,8 Tonnen. Beide waren im Werk K-24 installiert.

Blick in den Maschinenraum mit einem Dieselaggregat
Ein Teil des Hauptstollens mit Querverzweigungen

Die große Zufahrt im Eingangswerk konnte mit einem 6 Tonnen schweren Stahltor innerhalb von 15 Sekunden mit Hilfe eines noch schwereren Gegengewichtes geschlossen werden. Dieser Verschluß war als ein in den Unterbodenraum einfahrbares Falltor, mit einer Wanddicke von 7 cm, 5 cm davon eine hochfeste Panzerplatte, konzipiert. Danach folgte noch ein weiteres Panzertor, dessen horizontale Schiebeflügel mit einem Eigengewicht von 4 Tonnen innerhalb von 30 Sekunden verriegelt werden konnten.

Hinter diesem Eingangsbereich gibt es beidseitig des Hohlganges zwei große Minenkammern, die mit Sprengstoff gefüllt waren. Im Falle der aus taktischen Gründen notwendigen Aufgabe des Eingangswerkes hätte die Mannschaft durch die Zündung der beiden Minenkammern den Hohlgang zuverlässig verschütten und für den Angreifer unpassierbar machen können.

Kleine Nischen, die sich in regelmäßigen Abständen auf der linken Seite des Hauptstollens befinden, dienten der Mannschaft als Ausweichmöglichkeit beim Passieren der Schmalspurbahn. Die Gesamtlänge des Schienennetzes in der Werkgruppe beträgt mehr als 750 Meter. Es gab insgesamt 7 Wagen der Schmalspurbahn, einschließlich einem Wagen als Reserve.

Ein ausbetonierter Hohlgang im Felsmassiv
Blick in eines der ca. 30 m tiefen Treppenhäuser, die mehrere Etagen miteinander verbinden

In der ganzen Werksgruppe sollte mit Bewetterungs- und Filteranlagen ein konstanter geringer Überdruck erzeugt werden, so daß keine kampfgashaltige Außenluft in die Innenräume gelangen konnte. Die eingesetzte Lüftungstechnik ermöglichte eine differenzierte Be- und Entlüftung der Kampfblöcke und Hohlgänge, die in manchen Räumen nach Bedarf auch mit Warmluft beheizt werden konnten.

Ungefähr 60 m von der Rampe des Eingangswerkes liegt der 30 Meter lange Maschinenraum. In dieser als Kraftwerk konzipierten Halle sollten 3 Dieselaggregate mit je 80000 Watt für eine unabhängige Stromversorgung der sonst an eine externe Elektrizitätsversorgung angeschlossenen Werkgruppe sorgen. Im Maschinenraum befanden sich weiterhin zwei Kompressoren (die langsam laufenden Dieselmotoren mußten mit Druckluft von 60 atü angelassen werden) und eine Werkstatt. Unterhalb des Maschinenraumes war eine als Schalldämpfer ausgelegte Kammer plaziert.

Hinter dem Treibstofflager geht der große Hauptstollen in einen umfangreichen Umschlagbahnhof über, der vor dem Munitionshauptlager M 1 angeordnet ist. Dieser 40 m lange Saal war als Lager für 6000 Artilleriegranaten Kaliber 100 vorgesehen. Die Munitionslager waren damals teilweise gefüllt. In Holzkisten mit Einlagen aus Zinkblech wurden insgesamt 1 047 600 MG-Geschosse Modell 34, Kal. 7,92 mm deponiert.

In der Hinterwand des Munitionslagers befindet sich eine Nische mit einer Trinkwasserquelle. Das Quellwasser wird unterhalb des Bodens zu der im Boden eingelassenen großen Hauptzisterne in der Nähe des Hauptstollens geleitet, wo Betonsockel für eine Montage von 3 Wasserpumpen bereitstehen.

Von hier wurde die Wasserversorgung der gesamten Werkgruppe gewährleistet. Eine der Pumpen war für das Brandschutzsystem der Festung vorgesehen, weil alle explosionsgefährdeten Räume mit Sprinkleranlagen ausgestattet werden sollten

Zwei Exemplare der verwendeten Artilleriemunition
Eine andere oberirdische Kampfanlage der Baudenkoppe

225 m hinter dem Munitionslager M 1 gibt es eine Verzweigung der Hohlgänge. An dieser Stelle ist das Deckgebirge fast 60 m dick, da man sich hier direkt unter dem Gipfel des Berges Baudenkoppe befindet. Sowohl nach vorn, in Richtung der Werke K-22, 21 und 23 als auch nach hinten zum Werk K-22a fällt das Deckgebirge ab.

Rechts neben dem Hauptstollen befindet sich ein kleiner Raum, die sogenannte untere Kabelkammer. Am Boden sieht man eine Stahlverankerung und in der Decke die Mündung eines Stahlrohres. Das Rohr führt mehr als 40 m durch das Deckgebirge senkrecht nach oben und mündet in ein besonderes Festungsbauwerk, in die sogenannte obere Kabelkammer, in deren Decke auch eine entsprechende Stahlverankerung montiert ist. Zwischen diesen beiden Fixpunkten war ein Stahlseil gespannt, das als Träger für die Telefonkabel diente. Aus den oberen Kabelkammern wurden die Kabelverbindungen unterirdisch, in ca. 3m Tiefe, durch den Wald weitergeführt. Eine der Kabelleitungen führte aus dem kleinen Ort Techonin in das Eingangsbauwerk.

Innerhalb der Anlage befinden sich mehrere in schmalen Schächten eingebaute Notausgänge, die an die Erdoberfläche führen. Normalerweise waren sie mit einigen Tonnen eingefülltem Kies unzugänglich gemacht. Es war vorgesehen, im Bedarfsfall diese in dem schmalen Schacht des Notausganges befindliche Menge Kies mit Hilfe eines Schiebers nach unten in einen Blindschacht abzulassen und so der eingeschlossenen Besatzung die Möglichkeit zu geben, die Werkgruppe auf diesem Weg zu verlassen. Einer der Schächte stellt aufgrund seiner Baufälligkeit eine der gefährlichsten Stellen der unterirdischen Anlage dar. Früher, als die Werkgruppe nicht ordnungsgemäß gesichert war, fanden hier einige Amateur- Forscher den Tod.

Vorgesehener Einbauort eines ausfahrbaren Geschützturmes

In der im obigen Bild abgebildeten großen Deckenöffnung des Artilleriewerkes sollte der ausfahrbare Geschütz- Drehturm platziert werden. 1938 befanden sich in den SKODA-Werken in Pilsen die ersten zwei Exemplare dieses komplizierten Waffensystems in der Endmontage. Der Turm hatte ein unglaubliches Eigengewicht von insgesamt 420 Tonnen, davon entfielen 120 Tonnen auf bewegliche Teile, 120 Tonnen auf das Gegengewicht und 180 Tonnen auf den Vorpanzer und die restlichen Einrichtungen.

Die Außenteile des Turmes wurden aus hochfestem Panzerstahl hergestellt und konnten schwersten Granaten und Fliegerbomben widerstehen. Der Turm (1Umdrehung pro Minute, 70 cm Hub in 7 Sekunden) war mit einer Zwillingshaubitze Kaliber 100 mm, Reichweite 11950 m ausgerüstet und stellte die wirkungsvollste Waffe der Werksgruppe dar, welche die Grulicher Senke beherrschen und die zwei benachbarten Werkgruppen Adamsberg und Berghöhe unterstützen sollte. Dieser Drehturm konnte 1938 nicht mehr eingebaut werden, so daß die Werkgruppe ihren ursprünglichen Kampfauftrag im Bedarfsfall nicht hätte erfüllen können.

Stollensystem einer Ebene des Festungswerkes Baudenkoppe

In den letzten Kriegsmonaten begann das Deutsche Reich mit der Verlagerung wichtiger Fertigungskapazitäten in die unterirdischen Räume der ehemaligen tschechischen Werkgruppen. In der benachbarten Anlage Berghöhe bei Grulich lief bereits die Fertigung von Flugzeugpropellern. Als Arbeitskräfte wurden dort Häftlinge eingesetzt.

Nach dem Krieg befanden sich in Baudenkoppe noch 4 Panzerglocken und 3 Kuppeln. Die deutsche Wehrmacht ließ zwar alle 10 vorhandenen Panzerbauelemente herausreißen, abtransportiert wurden nur die zwei Glocken aus dem Eingangswerk und eine Glocke aus dem Werk K-22. Die restlichen Panzer standen entweder noch auf ihren Plätzen oder lagen neben den Anlagen.
In den Jahren 1954 bis 1957 wütete in der Grulicher Gegend eine Schrotthandelsfirma aus Königsgrätz, die dort Metalle aus den alten Befestigungsanlagen gewann. Allein von der Werkgruppe Baudenkoppe wurden aus den gesprengten Glocken mehr als 380 Tonnen Panzerstahlguß bester Qualität abtransportiert, obwohl dafür keine Genehmigung vorlag.

Alle mit der Bausanierung der Werkgruppe Baudenkoppe in der heutigen Zeit verbundenen Arbeiten werden von freiwilligen Enthusiasten unentgeldlich geleistet. Es handelt sich um eine Gruppe von ca. 150 Mitarbeitern, die im Rahmen der “Gesellschaft der Freunde der tschechoslowakischen Befestigungen” die Sanierungsarbeiten in der Anlage durchführen. Bis zur Eröffnung der Besuchersaison 1993 wurden mehr als 80000 Arbeitsstunden geleistet. Bei der Aufräumung der Hohlgänge und Kampfanlagen mußten bis dato mehr als 300 Tonnen Schutt bewegt werden.

Auch wenn die Anreise zu dieser Museumsanlage aus Deutschland etwas länger dauert, ist ein Besuch sehr lohnenswert und jedem Interessierten für Festungsgeschichte zu empfehlen.
Weiterhin ist die gleichfalls sehenswerte Werkgruppe Dobrosov zu nennen, welche ca. 70 km nordwestlich von Baudenkoppe bei der Stadt Nachod, oberhalb von Hradec Kralove, liegt. Ein Teil dieser Anlage ist seit mehr als 20 Jahren durch das dortige Kreismuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und ebenfalls sehr interessant.

©PeMü 2005
Alle Fotos und Grafiken Copyright Team-Delta !!

Danksagung
Ich möchte recht herzlich den Autoren Martin Rabon, Tomas Svoboda, Karel Vancura sowie Milan Blum für die wertvollen Informationen aus ihrem Buch “Der Tschechoslowakische Wall” danken.

Für Interessierte ist dieses auch in deutscher Sprache erschienene und sehr zu empfehlende Werk mit weiterführenden und detaillierten Informationen unter der ISBN-Nummer 80-901580-4-8 im Buchhandel beziehbar.