Radarstationen
Seit dem Beginn des 2. Weltkrieges baute man auf den Inseln Wollin und Usedom verschiedene Arten von Radarstationen, die bei Kriegsmarine und Luftwaffe im Einsatz waren. Der Besitz von einem Militärradar war damals eine große Errungenschaft der Technik. Nur einige Länder benutzten im Krieg Radaranlagen. Die deutsche elektrotechnische Industrie erzielte auf diesem Gebiet große Erfolge. Man baute funktionierende Ausführungen dieser Geräte für Luftwaffe, Artillerie und Kriegsmarine. Immer neuere Radargeräte musste man in der Praxis ausprobieren und sie unter Gefechtsbedingungen überprüfen. Die auf beiden Inseln stationierten Küstenartillerie- und Flakartillerieeinheiten, die hiesigen Fliegerhorste oder sogar die Raketenversuchsstelle in Peenemünde waren an der Durchführung solcher Erprobungen beteiligt.
Die größte deutsche Errungenschaft auf diesem Gebiet war das Entwerfen und Konstruieren von einigen komplizierten Radarsystemen, die zur Lenkung der Jäger und sogar der Raketen dienten. Spuren von solchen Installationen sind bis heute auffindbar. Heutzutage sind es nur Reste der Betonfundamente und Bunkerruinen. Damals waren es streng bewachte Objekte, für die höchste Geheimnishaltungsstufe angeordnet war.
Die Anfänge der deutschen Radaranlagen
An der Ausnutzung von Rundfunkwellen zur Lokalisierung von Objekten arbeitete man in Europa und in den USA bereits in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Bedeutende Fortschritte erzielten in diesem Bereich Briten, Amerikaner und Deutsche. Einige weiteren Länder standen am Beginn der Entwicklung.
An der Entwicklung von Radaranlagen arbeitete in Deutschland u.a. Dr. Kühnhold, der Gründer der Firma GEMA. Als einer der ersten versuchte er, solche Geräte zu bauen, die im ultrakurzen Bereich von 125 MHz arbeiten sollten. Sein erster gelungener Prototyp, der auf einem drehbaren Sockel gesetzt war und über Richtantennen verfügte, stellte er den Offizieren und den Beamten der Kriegsmarine vor. Die Vorführung fand am 24. Oktober 1934 in der Lübecker Bucht statt. Die Antennen der Station wurden auf das auf der Reede verankertes Forschungsschiff „Welle“ gerichtet. Die Geräte der Station sollten die Reflexion der Wellen vom Schiffsrumpf registrieren und seine approximative Entfernung und Richtung angeben. Bei der Vorführung wurde der Wellenstrahl durch ein zufällig vorbeifliegendes Flugzeug des Typs „Junkers“ überschnitten. Auf den Anzeigern beobachtete man zwei Reflexe, die man für die Störungen bei der Arbeit der Station gehalten hat. Erst später hat sich herausgestellt, dass die Apparatur auch das Luftziel entdeckt hatte.
Die Marine achtete auf dieses zufällige Ergebnis des Versuches nicht und trotz einer Anweisung von 70.000 Reichsmark für weitere Untersuchungen wurde den neuen, sich damit bietenden Möglichkeiten wenig Beachtung geschenkt. Den Konstrukteur machte das jedoch neugierig. Er beschloß, die Arbeiten auf den Bau von Geräten zur Ortung der Luftobjekte auszudehnen.
Die Anstrengungen von Kühnhold fielen zeitlich mit Arbeiten in den Forschungsstätten von „TELEFUNKEN“ und „LORENZ“ zusammen. Diese Werke entwickelten in kurzer Zeit den Prototyp einer Flugabwehrfrühwarnradarstation, die auf einer Wellenlänge von 2,4 Meter und damit mit einer Frequenz von 125 MHz arbeitete. Die neue Station war mit Richtantennen des Typs „Tanne“ ausgerüstet und konnte Luftziele in einer Entfernung von 40 – 75 km orten. Dieses Gerät wurde zum Vorbild für die spätere Baureihe deutscher Radarstationen des Typs „Freya“.
Ende 1938 wurde das erste funktionierende Exemplar vom Typ A 1 „Freya“, das für Verfolgen der Luftsituation und zum Warnen eigener Kräfte bestimmt war, in Betrieb genommen. Ein zweites Exemplar dieser Bauart wurde bei der Invasion auf die Tschechoslowakei eingesetzt. Im September 1939 verfügte Wehrmacht über 8 Stationen vom Typ „Freya“, davon waren einige an der Nord- und Ostseeküste stationiert. Die erste Station an einer Küste richtete man in Swinemünde ein.
Das Radargerät „Freya“ bestätigte schnell seine Brauchbarkeit in der Praxis unter realen Betriebsbedingungen. Am 18. Dezember 1939 entdeckten die Stationen auf den Inseln Helgoland und Wangerooge drei Staffeln britischer „Wellington“ Bomber, die die Kriegsmarinebasis in Wilhelmshaven angreifen wollten. Nach der Entdeckung und der Ortung der Formation wurden eigene Jäger zum Abfangen geschickt, die 34 britische Maschinen abschossen. Nach diesem für die RAF folgenschweren Debüt der deutschen Radargeräte verzichtete die britische Luftwaffe auf Tagesluftangriffe auf Deutschland.
Die Befehlshaber der Luftwaffe sahen einen Eilbedarf für die Einführung der Radarstationen in den Dienst. Die Bemühungen der Konstrukteure richteten sich u.a. auf den Bau einer Radarstation, die mit der Flakartillerie zusammen arbeiten könnte.
Die damalige deutsche, – im Vergleich mit anderen Staaten sehr moderne – Flak stütze sich jedoch auf die klassische Feuerleitung. Das Tagesschießen erfolgte unter Anwendung von einem Entfernungsmesser und einem Übertragungsgerät, die in dem sog. Kommandogerät integriert waren. Immer neuere Ausführungen von diesen Geräten, halbautomatische und automatische, die in den Berechnungen die Zielkoordinaten, Wetterbedingungen und Munitionsart berücksichtigten, waren machtlos bei großer Flugzeugdichte, über Ballungsgebieten und in der Nacht. Unter schlechten Sichtverhältnissen benutzte man zwar die Horchgeräte, aber ihre Genauigkeit ließ sehr zu wünschen übrig.
Eine Chance für einen Durchbruch in der Taktik der Flak gaben die neuen Radargeräte. Am Kriegsanfang versuchte man die „Freya“ – Geräte in Zusammenarbeit mit der Flak zu nutzen, aber ihre geringe Genauigkeit war für diesen Einsatzzweck zu gering. Die Firma „LORENZ“ hat dann zwei Varianten von kleinen Artillerielenkstationen auf den Markt gebracht. Die erste, als FuMG 38L „KURFÜRST“ bezeichnet, bestand aus zwei parabolischen Antennen mit dem Durchmesser von 2,4 m auf einem gemeinsamen drehbaren Mast befestigt, der auf die Lafette einer 8,8 cm Flak aufgebaut wurde. Eine Modifikation dieses Gerätes war das FuMG 39L „KURPFALZ“, bei dem der Mast auf das Dach eines Kofferaufbaus gesetzt wurde, in die die Sende- und Empfangsapparatur eingebaut wurde. Ca. 20 Stück solcher Stationen stationierte man 1940 im Ruhrgebiet zum Test unter Kampfbedingungen. Das letzte Modell dieser Ausführung war das Radar FuMG 40 L „KURMARK“.
Einen weiteren wichtigen Durchbruch erzielte erst die Firma „Telefunken“, die schon seit 1936 an einem kleinen Artillerieradar gearbeitet hatte. Die erste Versuchsstation dieser Firma war die Radarstation A 3 „Darmstadt“, die als Vorbild für weitere Entwicklungsvarianten vom Typ „Mainz“ und „Mannheim“ diente. In diesen Geräten verzichtete man auf die Gerippeantennen oder die bislang verwendeten Antennen vom Typ „Matratze“ zugunsten von integrierten parabolischen Sende- und Empfangsantennen mit einem Durchmesser von 3 m. Das Radar „Darmstadt“ besaß eine Reichweite von 10 km bei einer Ortungsgenauigkeit von ± 100 m und einer Genauigkeit der Winkelmessung senkrecht und waagerecht von ± 1 Grad.
Der Prototyp eines anderen Radars, hergestellt von „Telefunken“ und mit dem Symbol FuMG 39T bezeichnet, stellte sich schliesslich als die gelungenste Flakradarausführung im 2. Weltkrieg heraus. Im Herbst 1939 begann man mit Serienfertigung der Geräte vom Typ FuMG 62 „Würzburg“. Seine weiteren Verbesserungen bildeten bis zum Schluß die Radargrundausrüstung der deutschen Flakartillerie. Dank einer breiten Einführung dieser Station verbesserte man erheblich die Wirksamkeit der Bekämpfung der alliierten Flugzeuge.
Viel größere Möglichkeiten im Einsatz von Radargeräten boten die Entwürfe der Radarlenksysteme. Bevor man die ersten Prototypen herstellte, benutzte man zur Erkennung und zur Lokalisierung feindlicher Bomberformationen die Radaranlagen vom Typ „Freya“. Ihre Aufgabe übernahmen später teilweise die Geräte „Würzburg-Riese“, bis man schließlich die Konzeption des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Ergänzung im gleichzeitigen Einsatz beider Geräte erarbeitet hate. Das Aufkommen von Rundsichtradargeräten, die den Luftraum rund um eigene Stellung absuchten, schuf die Voraussetzungen zur Entwicklung verschiedener Arten von Jägerleitsystemen, später sogar von Luftabwehrraketen. Nach den Fortschritten der deutschen elektrotechnischen Industrie wurden die Radargeräte ein Dorn im Auge der alliierten Luftwaffe. Im Februar 1942 wurde sogar ein Kommandounternehmen britischer Spezialkräfte durchgeführt, die mit Fallschirmen in der Gegend von Le Havre abgesprungen sind, um die Besatzung einer Radarstation zu überwältigen und die wichtigsten Teile der „Würzburg“- Radaranlage zu demontieren. Die genaue Untersuchung des eroberten deutschen Radars ließ eine einfache und erfolgreiche Störmethode entwickeln, die auf dem Abwerfen von Alustreifen beruhte.
Nach dem Krieg dienten die eroberten Radargeräte und die entworfenen Projekte als Vorlage bei der Konstruktion eigener Anlagen durch die Staaten der alliierten Koalition. Man beschäftigte dabei Dutzende von deutschen Konstrukteuren, Ingenieuren und Technikern, die früher in den Rüstungswerken Hitlers tätig waren. Viele spätere Entwicklungen auf diesem Gebiet waren dank der Nutzung der Arbeitsergebnisse an den deutschen Radaranlagen möglich.
Die Radarstationen auf den Inseln Wollin und Usedom
Die erste Radarstation, die auf der Insel Usedom gebaut wurde war ein Gerät vom Typ „Freya“, das in das Luftwarnsystem der Kriegsmarinebasis in Swinemünde eingebunden war. Mindestens zwei solcher Stationen befanden sich im Dienst der Kriegsmarine im Ostseegebiet. Ihre Aufgabe war, den Luftraum über die Kriegshäfen in Pilau und in Swinemünde zu überwachen. Diese Häfen wurden als Hauptangriffsbasen der deutschen Flotte im geplanten Angriff auf Polen vorausgesehen. In Swinemünde konzentrierte man die Mehrheit der Einheiten der Kriegsmarine, die Garnisonsobjekte dienten als Gefechtsstand und Hinterland für die deutsche Ostseeflotte. Im Kriegsplan sah man voraus, dass der Hafen in Swinemünde zum Luftangriffobjekt werden könnte.
Als Standort des Flugabwehrkommandos der Basis wählte man ein altes Fort aus dem XIX. Jhd. „Engelsburg“, das bis dato als Hilfsobjekt der Garnison diente. Man nutzte die Rotundekonstruktion des Bauwerkes aus und baute die obere Beobachtungsplattform um. Auf ihrer Spitze brachte man die Kabine der Sende- und Empfangsgeräte und den Antennenmast an.
Aus den heutigen Überresten lässt sich schwer schlußfolgern, ob die gleiche Ausführung von „Freya“ hier bis zum Kriegsende in Betrieb war. Die erhaltene Kabine für die Besatzung und die Geräte deutet auf eine Station vom Typ FuMG 401 A „Freya – LZ“ hin. Es ist jedoch bekannt, dass diese Geräte im Krieg verschiedenen Veränderungen der Antennensysteme unterlagen.
Ein Riesenfortschritt im Bau der deutschen Radaranlagen war ihre modulare Bauweise, die die Modifikation einzelner Module in der in Betrieb befindlichen Station oder das Anschließen weiterer Module ermöglichte. Auf diese Weise modernisierte Anlagen erhielten neue Bezeichnungen, obwohl sie sich von der früheren Variante nicht wesentlich unterschieden. Als man im Jahre 1942 begann, die ersten Störungssender der Stationen „Freya“ anzuwenden, wurde ein einfaches Gegenmittel eingeführt, der darauf beruhte, dass man die Frequenzen der Sender und der Empfänger wechselte. Nach der Einführung der schon erwähnten Störungsmethode der Geräte durch den Abwurf von Alustreifen durch die Briten entwickelte man die störsichere Version des Geräts „Freya -Laus“.
Im Krieg lieferten die Firmen „AEG“ und „Telefunken“ dem Militär weitere Modelle der Station „Freya“, die auf Frequenzen von 162 bis 200 MHz arbeiteten. Für Luftwaffe erhielten sie die Bezeichnung FuMG 451 „Freiburg“, und für die Kriegsmarine FuMG 321 – 328. Ihre Anpeilungsreichweite betrug bis 130 km. Bei Einführung neuer Ausführungen wurden die Antennen vom Typ „yagi -Matratze“ verwendet.
1941 begann man mit Versuchen zur Anwendung zweier „Freya“-Stationen zur Lenkung eigener Jäger. Den Treffkurs der Flugzeuge mit dem Ziel zeichnete man auf einem sogenannten Seeburgtisch auf und die notwendigen Kommandos gab man übers Funk an die Jäger weiter. Eine Station verfolgte die gegnerischen Flugzeuge, die andere führte die Jäger. Diese Methode erhielt den Decknamen „Erstling“, sie wurde 1943 verbessert und „Egon“ genannt.
Einige Überreste im westlichen Artilleriefort in Swinemünde deuten darauf hin, dass neben einem Beobachtungsbetonbunker ein Stahlturm mit oben eingebauter Radaranlage existierte. Vorausgesetzt, dass sie vom Typ „Freya“ war, haben wir mit dem ersten Versuchsystem der Radarlenkung in Swinemünde zu tun.
Die „Freya“-Anlage im Fort „Engelsburg“ wurde – wegen ihrer großen Reichweite – im Verbund mit der Luftabwehr des Hafens in Swinemünde betrieben. Ihre Aufgabe war, die vom Norden kommenden gegnerischen Flugzeuge zu orten. Die entdeckten Luftformationen oder einzelne Flugzeuge wurden annähernd angepeilt, die Daten übermittelte man ins Warnnetz der eigenen Luftwaffe und an die umliegenden Flakbatterien. In den Flakbatterien wurde dann die Führung und die Anpeilung des Zieles durch ihre eigenen Radargeräte übernommen. Das Flugabwehrkommando und das Netz der Beobachtungs- und Meldungsposten bedienten die Marinesoldaten von der 3. Marineflugmeldeabteilung.
Bis Herbst 1939 baute man auf den Inseln Wollin und Usedom westlich und östlich vom Marinehafen in Swinemünde 10 schwere Flakbatterien aus. Im Krieg wurde ihre Anzahl mindestens um die Hälfte vergrößert. Die Batterien stattete man nach und nach mit Radaranlagen zur Feuerleitung aus. Die bekannteste unter ihnen war die „Würzburg“- Anlage.
Die Artillerieradargeräte „Würzburg“ FuMG 62 wurden ab 1939 in Serie produziert. Diese Anlagen montierte man auf einem offenen Radanhänger mit 2 Achsen. Die parabolische Antenne hatte einen Durchmesser von 3 m. Die Plattform mit der Antenne und Sende- und Empfangsgeräten konnte um 360 Grad gedreht werden. Die bewegliche Befestigung der Antenne ermöglichte noch Schwenkungen vom 0 bis zum 90 Grad in der Vertikale. Die Station konnte also den Luftraum in allen Richtungen überwachen.
Die „Würzburg“- Geräte hatten eine Reichweite von 40 km bei einer Meßgenauigkeit von ± 80 – 120 m. Die Genauigkeit der Winkelmessung betrug ± 1,5 – 2 Grad waagerecht und senkrecht. Es waren recht gute Parameter, sie reichten jedoch für die genaue Feuerleitung der Batterien nicht aus. Um die Zusammenarbeit mit dem Zentralgerät der Batterie zu ermöglichen, wurde ein Umrechnungsgerät „Malsi“ verwendet. Bei solch einem Gerätesatz konnten die Batterien ein wirksames Sperrfeuer anhand der Radaranzeigen führen. Seit 1940 verbesserte man nach weiterer Verbesserung der Station FuMG 39 T/C die Parameter. Die Genauigkeit der Winkelmessungen senkrecht und waagerecht erhöhte man auf Bruchteile eines Grades. Die Ausführung D EAG 62 „Emil“ erreichte schon eine Entfernungsmessgenauigkeit zwischen ± 25 und 40 m. Die verbesserten Stationen konnte man direkt mit dem Zentralgerät der Batterie durch das Übertragungsgerät 37 koppeln. Die endgültige Ausführung der Station FuMG 62 D „Würzburg D“ kam ab 1942 zur Serienfertigung. Bis zum Kriegende lieferte man dem Militär etwa 4000 Exemplare dieser Geräte. Zum Kriegsende war die Mehrzahl der Flugabwehrbatterien auf den Inseln Wollin und Usedom mit den Radaranlagen zur Feuerleitung ausgestattet. Es überwogen die „Würzburg“- Geräte, obwohl man auch ähnliche Konstruktionen vom Typ „Marbach“ und „Mannheim“ benutzte. Das Interessante an er letztgenannten ist, dass sie den Flug von Raketen beobachten und sie lenken konnte.
Im Laufe des Krieges baute man auf der Basis der elektronischen Ausrüstung der „Würzburg D“- Anlage ein großes Radar FuMG 65 „Würzburg – Riese“. Es war eine riesige Konstruktion mit dem Gesamtgewicht von 18 Tonnen. Wegen des Ausmaßes und des Gewichtes brachte man sie auf drehbaren Sockeln, die auf Betonfundamenten gesetzt wurden, auf Schiffsgeschütztürmen und auf Eisenbahnplattformen an. Eine parabolische Antenne mit einem Durchmesser von 7,5 m wurde auf einem speziellen Heber befestigt, als Gegengewicht diente die Kabine für Besatzung und Geräte. Die durchbrochene Antennenkonstruktion wurde aus Duralelementen angefertigt – ähnlich wie bei der Konstruktion von Luftschiffen. Die Anlage zur Fernsteuerung der elektrischen Antriebe der Station, erarbeitet von „AEG“, ermöglichte das Bedienen des Radars von tragbaren Bedieneinheiten, die sich im Bunker oder auf dem Beobachtungsturm befanden.
Die Station „Würzburg – Riese“ besaß eine Reichweite von 50 – 70 km mit einer Meßgenauigkeit von 40 – 60 m und eine ungewöhnlich präzise Messung der Winkelwerte senkrecht und waagerecht, deren Abweichung maximal ± 0,2 Grad betrug. Dank solcher Leistungen eignete sich die Station zur Luftbeobachtung, Jägerleitung, Zusammenarbeit mit der Flak und zur Peilung für die Kriegsmarine. Wegen des engen Richtstrahls hatte die Würzburg- Riese- Anlage erhebliche Probleme bei der Erfassung schneller Einzelziele.Um diesen Nachteil zu beseitigen, musste man eine Kombination mit einem „Freya“- Gerät nutzen.
Im 1944 baute man auf den Ostseedünen in Swinemünde, am Ende der Uzdrowiskowa Straße, zwei sechseckige Betonsockel, die als Fundamente von Radarstationen genutzt wurden. Die Betonsockel waren etwa 25 m voneinander entfernt. Zu gleicher Zeit baute man entlang der Ostseeküste weitere Stationen „Würzburg – Riese“ auf identischen Betonsockeln auf. Diese Stationen bildeten die Grundlage der Küstenbeobachtung. Es handelte sich um einzelne Stationen, voneinander jeweils einige Dutzend km entfernt. Die Stationen in Swinemünde waren also kein normaler Radarposten, sondern ein Versuchsleitsystem.
In dieser Zeit arbeitete man an den Prototypen zweier Radarlenksysteme. Das erste, mit dem Namen „Egerland“, bestand aus einem Satz von zwei Stationen FuMG 74 „Kulmbach“ und FuMG 76 „Marbach“. Das System „Egerland“ diente zur Leitung des Flakfeuers. Das Weituchgerät „Kulmbach“ besaß eine drehbare Dipolantenne und suchte den Luftraum um die Stellung herum mit der Geschwindigkeit von 20 Drehungen/ Minute ab. Die Station „Marbach“ übernahm die von „Kulmbach“ georteten Ziele und erarbeitete Feuerdaten für die Artillerie. Der Gefechtsstand des Systems mit allen Anzeigern und der Umrechnungsapparatur befand sich auf einem speziellen Aufbau 74/76 „Bayern“. Die „Marbach“- Station besaß außer der Parabolantenne mit einem Durchmesser von 4,5 m eine spezielle optische Einrichtung, mit der sie das Ziel bei gegebener optischer Sicht verfolgen konnte. Beide Stationen arbeiteten auf ener Wellenlänge von 9 cm. Das System besaß eine maximale Reichweite von 50 km. Unter gleichzeitiger Nutzung der „Marbach“- Station konnte man die Entfernung zum Ziel mit einer Genauigkeit bis zu 35 m und seine Koordinaten mit einem Meßfehler nicht größer als 1 Grad berechnen.
Das „Egerland“- System wurde nach dem Krieg Ausgangsgrundlage für viele Feuerlenksysteme der Artillerie und der Raketen. Bis zum Kriegende wurden nurnur zwei Versuchsanlagen in Dienst gestellt.
Ein weiterer Typ eines Radarlenksystems war das Gerät FuMG 75 „Mannheim – Riese“. Dieses System bestand aus der Station FuMG 64 „Mannheim“ und FuMG „Würzburg – Riese“. Alle technischen Einrichtungen und die Fernsteuergeräte befanden sich in der „Bayern“ – Kabine. Die Reichweite des Sytems betrug 84 km bei einer Meßgenauigkeit von ± 12 m. Der maximale Fehler bei der senkrechten und waagerechten Ziellageberechnung überschritt 1 -1,5 Grad nicht. Mit der Achse der Antenne der „Mannheim“- Station war das optische Gerät zur visuellen Zielverfolgung gekoppelt.
„Mannheim-Riese“ war das modernste Radarlenksystem, das von der deutschen Industrie entwickelt wurde. Dank seiner technischen Möglichkeiten konnte es zur Steuerung der Luftabwehrraketen verwendet werden. Die Apparatur war unempfindlich gegen die Störungen, die vom gegnerischen Abwurf von Alustreifen ausgingen. Bis zum Kriegsende wurde das System jedoch nicht mehr in Serie produziert.
Die Versuchsstation auf den Dünen in Swinemünde war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein „Mannheim- Riese“- System oder, von der Form der Betonfundamente ausgehend, eine andere Kombination der Stationen „Würzburg – Riese“ und „Kulmbach“. Es scheint möglich, dass die Versuchsstelle nicht nur im Zusammenhang mit den Versuchsarbeiten und Schulungen des Bedienpersonals der Radarstationen im Rahmen der damals in Swinemünde stationierten Flakschuleinheit der Kriegsmarine stand, sondern auch mit Versuchen mit Flugabwehrraketen. Es ist auch möglich, dass diese Stelle Peilungen durchführen hatte und die Reichweite der V-1-Geschosse bestimmen sollte. In beiden Fällen bestand also ein Zusammenhang mit der Raketenversuchsstelle in Peenemünde und mehreren anderen Versuchseinheiten.
Alle Radaranlagen und Lenkungssysteme waren damals militärische Geheimnisse, die streng vor den Geheimdiensten anderer Staaten geschützt wurden. Viele Wehrmachtsoldaten, die damals Dienst in den herumliegenden Einheiten leisteten, hatte keine Ahnung über die Bestimmung der merkwürdigen Antennen und Geräte. Der Zugang zu den Betriebsstellen unterlag einer strengen Kontrolle.
Nach dem Krieg wurden alle mit Funk- und Radargeräten ausgestatteten Objekte durch Russen besetzt. Auf den später an die polnische Verwaltung übergebenen Gelände und in den ehemaligen deutschen Militäranlagen wurden sorgfältig jegliche Geräte demontiert. Ein Teil von ihnen wurde zu genauen Untersuchungen nach Rußland gebracht, den Rest vernichtete man unter strengster Geheimhaltung.
In den 50er und 60er Jahren wurde die Sowjetische Armee mit Radargeräten ausgerüstet, die erstaunlicherweise den Geräten deutscher Herstellung ähnelten. Dabei hat man viele Ideen und Lösungen verwirklicht, die von den deutschen Konstrukteuren im Krieg nicht vollendet wurden. Viele von ihnen mussten übrigens an der Entwicklung der sowjetischen Radartechnik persönlich teilnehmen.
Die U-Boot-Basis
Seit dem 1. Weltkrieg befanden sich deutsch U- Boote im Hafen von Swinemünde. In der zweiten Hälfte der 30er Jahre stationierte man hier die 3. U-Boot- Flottille unter dem Kommando vom Hauptmann Eckermann. Die Schiffe dieser Einheit nahmen später an den Kampfhandlungen gegen die polnische Marine teil. Die U-Boote besaßen damals noch keine Basis, sie lagen an den Kaimauern wie andere Schiffe auch.
Im Mai 1941 bildete man in Stettin die 4. U- Boot- Lehr- Flotille unter dem Kommando vom Hauptmann Werner Jacobsen. Ihre Schiffe legten sporadisch in Swinemünde an, sie luden Verpflegung ein oder nahmen an den Schulfahrten auf der Ostsee teil. Vermutlich zwecks Verbesserung der Bedingungen der Flottille und zur Schulung der U-Boot- Besatzungen begann man 1942 auf der Insel Caseburg mit dem Bau eines Hafenbeckens für die Kriegsmarine. Im Bauverlauf nutzte man ein schon neben dem damaligem Fähreübergang vorhandenes kleines Hafenbecken, das vergrößert und mit einem Zugang in die Alte Swine ausgestattet wurde.
1944 wurde das Becken in Dienst gestellt. In der Nähe baute man einige Baracken für Marinesoldaten und Hilfspersonal. Es wurde durch die U-Boote der 4. Flottille genutzt. Aber auch Schnellboote und andere kleine Schiffe lagen in Caseburg. In einem nahe gelegenen Wald baute man einen mehrere Baracken zur Unterbringung der Schnellboot- Lehr- Division, deren Versorgungs- und Lagereinrichtungen auch zur Absicherung von Operationen der U- Boot- Flottille genutzt wurden. Durch den Stützpunkt in Stettin kamen insgesamt 295 Boote, die meistens zu den massenhaft hergestellten Typen VII und IX gehörten. Am Kriegsende wurden auch die Boote der neusten Generation vom Typ XXI und XXIII stationiert, die eine wesentliche Gefahr für Seewege bilden konnten. Admiral Dönitz verband mit diesen U-Boot- Typen große Hoffnungen auf die Wiederaufnahme des Unterwasserkrieges und eine Wiederholung der Erfolge der Kriegsmarine aus dem Jahr 1942. Deshalb bildete man mit großem Aufwand die Besatzungen für die neuen Boote auf ihren Einsatz vor. Dazu wurden Ausbildungsbasen genutzt, die weit vom Seekriegsschauplatz und alliierten Luftangriffen entfernt lagen. Die Besatzungen lernten die komplizierte Bauweise moderner Schiffe, Taktik der U-Boote und ihre Bewaffnung kennen. In der Pommerschen Bucht führte man Übungsschießen mit Torpedos mit akustischer Selbstansteuerung durch.
Die durchgeführten Versuche und Tests mit U-Booten waren sehr vielfältig. Infolge der im Atlantik erlittenen Verluste, deren größte Ursache die Nutzung des Radars durch die Briten war, suchte man fieberhaft nach einem Mittel, das die U-Boote vor Entdeckung durch gegnerisches Radar schützen sollte. Eine der getesteten Methoden war das Beschichten des Rumpfes mit einem Material, das die Funkwellen absorbierte. So „präparierte“ Boote vom Typ VII und IX versuchte man durch die Küstenradarstellen anzupeilen, um die Wirksamkeit der Schicht zu testen. Die deutschen Erfahrungen in diesem Bereich wurden nach dem Krieg bei der Herstellung amerikanischer und sowjetischer U-Boote genutzt.
Ein anderer Bereich der Entwicklungsarbeiten an U-Booten waren Versuche mit einer neuen Antriebsart. In den Booten vom Typ XVII benutzte man Prototypen von Dieselturbinen, die vom Prof. Walter entworfen wurden. Diese Motoren kühlte man wegen starker Überhitzung mit Deuterium ab. Die Versuche wurden jedoch nicht beendet, es gab erhebliche Probleme.
Im Bestand der 4. Flottille befanden sich u.a. U-Boote vom Typ XIV, die von den Kriegmarinesoldaten „Milchkühe“ genannt wurden. Diese Schiffe mit einer Verdrängung von 1688 to und mit einer Reichweite von 9300 Seemeilen konnten 4 Torpedos und 432 to Dieselkraftstoff als Ladung mitnehmen. Sie waren zur Versorgung der U-Boote auf hoher See bestimmt, damit diese ihre Patrouillenfahrten nicht unterbrechen mussten und weiter im Einsatzraum verbleiben konnten.
In Stettin und Swinemünde waren auch U-Boote der Typen XXI und XXII stationiert. Die ersteren waren sehr moderne, atlantiktaugliche Schiffe mit einer Verdrängung von 1621 to. Die Bewaffnung bildeten 6 Torpedorohre vom Kaliber 53,3 cm. Sie wiesen eine für die damalige Zeit erstaunliche Unterwassergeschwindigkeit von 17,5 Knoten und eine Reichweite von 11150 Seemeilen auf. Einige Boote dieses Typs hielten sich noch nach der Evakuierung der Flotte Stettin in Caseburg auf.
Die U-Boote vom Typ XXIII waren kleine Schiffe, die zu Operationen in Küstennähe bestimmt waren. Ihre geringen Abmessungen und ihre geringe Reichweite kompensierte die moderne Konstruktion und die hohe Unterwassergeschwindigkeit von 12,5 Knoten. Grundsätzliches Merkmal dieser U-Boote waren jedoch fabrikmäßige „Schnorchel“ – ein Gerät, dass das Fahren in Periskoptiefe unter Nutzung der Dieselmotoren ermöglichte. Das Konstruktionsprinzip dieser Boote wurde in den Nachkriegsentwürfen sowjetischer U-Boote genutzt. Zwei dieser Boote stehen heute noch im Dienst der polnischen Marine.
Wie sich die ehemaligen Bewohner der Insel Caseburg erinnern, wurde das an die U-Boot-Becken grenzende Terrain sehr streng durch die Posten bewacht. Die hiesige Bevölkerung wußte nichts genaueres darüber, was sich hinter der Umzäunung der Caseburger Basis befand. Die hier anlegenden U-Boote wechselten oft ihre Position. Es herrschte ein ständiger Wechsel der Boote, was ihre Identifikation und die somit Spionage und Planung von Angriffen erschwerte.
Ab Ende 1944 wurden die in Bremen und Hamburg vom Stapel gelaufenen U-Boote nach Swinemünde und Stettin verlegt. Dazu besetzte man sie zunächst nur mit einer sogenannten Manöverbesatzung. Vor Ort ergänzte man die Mannschaften zur vollen Stärke und unterzog Boot und Mannschaft letzten Tests. Die kampfbereiten Schiffe dislozierte man allmählich in die westlichen Ostseehäfen mit der Aufgabe, den Seekampf in der Atlantik und um die britischen Inseln aufzunehmen. Beinahe jedes der U-Boote der Flottille Stettin hielt sich vorläufig im Caseburger Hafen auf. Viele Boote wurden bei den Luftangriffen auf Stettin beschädigt und mussten hier zur Begutachtung und eventuellen Beseitigung der Schäden anlegen. Die noch nicht vollendeten oder zu schwer beschädigten Schiffe wurden in Caseburg gelassen. Zu ihnen gehörten u.a. U-108 und U-902. Diese Boote wurden gegen Ende April 1945 durch eigene Besatzungen auf der Alten Swine zerstört und versenkt.
Nachdem die meisten U-Boote im Westen im Einsatz waren, wurde das Hafenbecken in Caseburg durch die Artillerieprähme der 8. Flottille unter dem Kommando vom Leutnant Schneider genutzt. Nur wenige U-Boote legten damals noch am Kai der Kaiserfahrt an. Am 16. April 1945 bei einem Luftangriff auf das in der Nähe vor Anker liegenden schweren Kreuzschiff „Lützow“ befand sich im Caseburger Hafen nur noch U-3023 unter dem Kommando vom Leutnant Erich Harms und U-3026 unter dem Leutnant Günther Drescher. Beide Schiffe hatten infolge des Angriffs keine Schäden und liefen später nach Travemünde aus.
Die letzten U-Boote liefen aus Swinemünde an Ende April/ Anfang Mai 1945 aus. Bei dieser Gelegenheit haben sie Soldaten und Zivilbevölkerung in Richtung Westen evakuiert. Die Mehrheit dieser Boote wurde von den eigenen Mannschaften auf der Reede des Hafens in Travemünde versenkt.
Bibliographie:
SÜNKEL, Werner Der einzige Einsatz der HDP 1945 Museum für historische Wehrtechnik Rothenbach/Pegnitz 1997
MÜLLER, Werner Bodenfunkmessgeräte der Deutschen Luftwaffe bis 1945 Freidberg 1992
MÜLLER, Wolfgang; KRAMER, Reinhard Gesunken und verschollen Hamburg 1996
HAK, Zdenek V-3 Dalekonosne delo Dvur Kralowe 1995
© Piotr Laskowski „Deutsche Geheimwaffen auf den Inseln Wollin und Usedom“
Erste Ausgabe
MAAGDRUK Swinemünde 2000
ISBN 83-912490-0-X (Ausgabe in der polnischen Sprache)
Übersetzung: Andrzej Mazul-Guty Gesellschaft für Militärarchäologie Pommern