Fort Wilhelm

Die Reste von Fort Wilhelm befinden sich westlich von Habelschwerdt oberhalb der Ortslage Voigtsdorf auf einer Höhe von rund 820 Meter am Grenzpunkt der Gemarkungen von Voigtsdorf, Spätenwalde und Hüttengut. Die Koordinaten fürs GPS: 33 U 609828 5575837 (UTM WGS84). Von diesem Platz aus hatte man – gutes Wetter vorausgesetzt, was dort oben selten ist – einen Ausblick auf die gesamte Grafschaft einschließlich der Festungen Glatz und Silberberg. Ebenfalls einsehbar: Teile des Frankensteiner Gebietes, das Altvatergebirge und die böhmischen Kämme. Heute ist eine solche Aussicht nicht mehr möglich, denn der Platz des Forts einschließlich des Glacies ist bewaldet. Der Aufstieg zum Fort ist nur auf steilen und sehr beschwerlichen Wegen möglich.

 

Das letzte Haus am Aufstieg in Voigtsdorf – Oberdorf

 

Die Gründe, die zur Anlage des Forts an diesem Platz führten, sind also in den Grundzügen nachvollziehbar. Es wird bei Besuchen vor Ort aber auch deutlich, daß die Anlage, wie wir heute sagen würden, vom “Reißbrett” oder vom grünen Tisch aus erfolgte und einige lokale Besonderheiten nicht berücksichtigte.

Wie schon angedeutet, ist der Hauptfeind dort oben das Wetter.

 

Nebel bei Hüttenguth

 

Nebel ist zu allen Jahreszeiten sehr häufig. Und er ist sehr dicht. Dazu kommt der durch die Höhenlage sehr früh einsetzende Winter mit Schneefall, Eisbildungen und hohen Windgeschwindigkeiten. Pfarrer Tschitschke aus Voigtsdorf schrieb im Jahre 1920: “Während meiner Seelsorgertätigkeit habe ich hier oben oft Nebelbildungen wahrgenommen, wie ich sie nicht für möglich gehalten hätte. Tritt Schneetreiben ein, so ist die Orientierung selbst den Einheimischen oft gar nicht möglich.” (1) Ein Besatzungswechsel oder die Anlieferung von Versorgungsgütern war also nicht immer planbar und möglich.

Ein Fort macht aber nur dann Sinn, wenn ich den Feind überhaupt auch zu Gesicht bekomme. Neben den beschriebenen metereologischen Besonderheiten erschweren die geographischen Bedingungen genau dieses Ansinnen. Im Süden und Westen schließen sich an das Gelände des Forts größere Waldmassen im bewaldeten Mittelgebirge an. Schon bei normalem Wetter konnte sich der Feind unbemerkt dem Fort nähern. Kommen die oben beschriebenen Wettererscheinungen hinzu, hatte die Fortbesatzung keine Chance, die Annäherung auch nur zu bemerken.

Auf dem Plateau selbst gibt es keine Quellen. Zur Wasserversorgung wäre ein Brunnen notwendig gewesen, der jedoch aus Kostengründen nicht gebaut wurde. Der Verantwortliche für den Bau, Kapitän Müller, wurde gleichwohl angewiesen, einen Kostenvoranschlag zu fertigen “… was die Anlegung eines Brunnens kosten werde, da dieser in Zukunft noch immer ohne größeres Aufsehen angelegt werden kann” (17.03.1792), aber schon die Bauzeichnungen weisen einen Teil des nördlichen Wallgrabens als Regenwassersammler aus.

Der Bauplatz war also nicht optimal, um es einmal vorsichtig zu umschreiben.

Der Bau begann nach den Aufzeichnungen des Försters Bobisch aus Brand trotz all dieser Widrigkeiten am 14.07.1790 mit der Rodung auf der für das Fort vorgesehenen Fläche. Pikanterweise erhielt der Grundbesitzer eine Entschädigung für die gerodeten Bäume, ein Kaufpreis für das Gelände des Forts wurde aber nicht gezahlt. Für einen Lohn von täglich 6 Silbergroschen bauten freiwillige Arbeiter aus Voigtsdorf und Umgebung das Fort bis zum Herbst 1790 so weit auf, das es bezogen werden konnte. Im Kabinettsschreiben aus Potsdam vom 29.09.1790 wurde Generalleutnant von Götzen angewiesen, Fort Wilhelm mit 1 Unteroffizier und 12 Mann zu besetzen. Der durch den Winter unterbrochene Bau wurde am 26.04.1791 fortgesetzt und setzte sich bis 1793 fort. Der Lohn sank auf 5 Silbergroschen pro Tag. Gebaut wurde vor allem im Innern des Forts. Alle Maßnahmen waren dem Willen des Königs untergeordnet, das Fort bis zum Jahresende 1792 fertigzustellen. So wurden die Vorschläge von Götzens, die Batteriewölbungen und die des Wallgrabens zu verändern, wohlwollend aufgenommen und als zweckmäßig erkannt, wegen der Baudauer und der Kosten aber letztlich abgelehnt (01.03.1792). Zum 12.10.1792 wurde Feldwebel Christoph Carl Person mit Wirkung vom 01.11.1792 die Aufsicht über Fort Wilhelm übertragen. Dafür gab es monatlich 12 Reichstaler und freies Holz. Er starb am 10.05.1795 im Alter von 65 Jahren nach 48-jähriger Dienstzeit und wurde auf dem Glacies von Fort Wilhelm beigesetzt. Es ist uns bis jetzt nicht gelungen, sein Grab zu lokalisieren.

Als 1806/1807 Napoleon auf die Grafschaft zurückte, hatte auch die militärische Führung den Unsinn der mit riesigem finanziellen Aufwand errichteten Forts erkannt. Folgerichtig war Fort Wilhelm nur mit einer Bewachungsmannschaft besetzt, die auch noch zur Verteidigung der Festung Glatz abberufen wurde. Auch die Festung Glatz hielt nicht stand und fiel am 09.07.1807 mit dem Tilsiter Frieden. Und die Bevölkerung der umliegenden Dörfer widmete Fenster und Türen einer neuen Nutzung in ihren Häusern. Friedrich Wilhelm III beschloß, das Fort zu schleifen und das Baumaterial anderweitig zu verwenden. Vor allem ging es um die Sandsteinquader. Er hatte seine Rechnung aber ohne die Dinters gemacht. Josef Dinter und sein gleichnamiger Sohn hatten die Freirichterei im Voigtsdorfer Oberdorf gekauft. Ebenfalls in Voigtsdorf-Oberdorf befand sich eine Kirche, die aus Holz gebaut und baufällig war. Genau diese sollte an gleicher Stelle neu errichtet werden. Die Durchsetzung dieses Planes gipfelte im Abzweigen von 100 Reichstalern aus der Kirchenkasse und damit, daß sich die Dinters im Winter 1812 durch die Bauern des Oberdorfes 8000 Fuß Quadersteine aus dem Fort anfahren ließen. Durch den Ausbruch der Befreiungskriege blieben sie erst einmal im Bereich des alten Friedhofes im Voigtsdorfer Oberdorf liegen. Derweil wurde 1823 die neue Kirche im Niederdorf fertig. Mit dieser zeitlichen Einordnung ist übrigens auch die Aussage in (2) hinfällig, die Kirche in Voigtsdorf-Niederdorf wäre deshalb so groß ausgefallen, weil sie als Garnisionskirche für Fort Wilhelm dienen sollte. Zum Zeitpunkt der Errichtung war Fort Wilhelm bereits geschliffen.

 

Die Kirche in Voigtsdorf – Niederdorf

 

Damit hatte sich die Kirche im Oberdorf erledigt. Die Dinters nutzten das Material, um ihre Stallgebäude zu sanieren. Der Schlußstein mit der Inschrift “Fort Wilhelm 1792” wurde in einem Stallgebäude der Dinters verbaut und war dort um 1920 noch zu bewundern. Nach Flucht und Vertreibung 1946/47 verfiel das Oberdorf und auch die Freirichterei. Es ist uns nicht gelungen, im Jahre 2005 den Schlußstein aufzufinden.

Größere Mengen Baumaterial aus dem Fort wurde beim Bau einer großen Eisenbahnbrücke und des Lehrerseminars in Habelschwerdt verwendet.

Pfarrer Tschietschke hat uns in (1) einen Plan der Anlagen des Forts hinterlassen, der nachfolgend mit ein paar kleinen Veränderungen veröffentlicht wird. Der Plan entstand als Zeichnung Tschiertschkes auf Grundlage von Pfarrer Albert im 19. Jhdt. in Glatz aufgefundenen Plänen, deren Verbleib heute unbekannt ist.

 

 

Von Pfarrer Tschietschke stammt auch die Beschreibung des Rundganges, die wir hier, versehen mit eigenen Bildern und Anmerkungen zum heutigen Zustand, veröffentlichen. Wir gehen davon aus, daß es sich bei der verwendeten Maßeinheit Fuß um das Preußische Fuß (0,314 m) handelt.
 
“Von der Widmutgrenze im Osten führt ein Weg über das Glacies zu einem die Brücke schützenden Mantel. Die Brücke hatte eine Länge von 26 Fuß und führte über einen Wallgraben, der 17 bis 20 Fuß breit war und heute noch, obwohl viel Schutt darin liegt, eine Tiefe von 45 Meter besitzt. Vor uns liegt nun das ganz aus Sandstein erbaute Fort, in das wir über die Brücke durch ein sehr niedriges Tor eintreten. Die Mauer, durch die das Tor führt, ist mit Schießscharten versehen und hat in der Oberkante noch eine Stärke von 5 Fuß. Wir betreten einen kleinen Hof (12 x 27 Fuß), von dem rechts eine Rampe nach dem Walle führt. Wir wenden uns weiterschreitend nach links, wo wir 6 Fenster wahrnehmen. Hier sind Wohnräume. Durch eine Tür zur Linken treten wir in einen Vorflur, wo Gewehre hängen, von hier aus gelangen wir durch eine Tür links in die Wachstube (26 x 16), deren 6 schmale Fenster, die Schießscharten ähnlich sind, wir vom Hofe aus bemerkten. Vom Wachlokal führt eine an der Südseite gelegene Tür in ein Vorzimmer, in dem wir uns links wendend in das Zimmer des Kommandanten und der Offiziere begeben: zwei kleine (13 x 15) und ein größeres (13 x 34) Zimmer. Diese sind lichter als das Wachlokal, denn sie haben nicht nur die schmalen Schießschartenfenster nach der Außenseite des Forts, sondern auch Fenster nach einem kleinen Lichthofe, der durch die 3 Stockwerke dieses Teils des Forts geht. Von dem größeren Zimmer geht eine Tür zur Küche, neben der ein kleiner Raum liegt, der Licht nur durch die Schießscharten erhält. Neben der Küche führt eine Treppe in das darunter liegende Stockwerk, in dem der Schlafsaal der Mannschaft ist. Etwas über dem Niveau des Wallgrabens liegt das unterste Geschoß. In ihm befindet sich die Bäckerei, der Raum für die Mehltonnen, und der Pferdestall mit Futterraum. Der Dünger wird durch die Tür auf den im Wallgraben befindlichen Düngerhaufen geschafft. Wir steigen wieder hinauf und betreten von der Gewehrstube aus wieder den Hof. Links und rechts erheben sich Wälle, die man durch Treppen und Rampen ersteigen kann. Die eine Batterie auf der westlichen Seite steht in Schießscharten, die andere hinter Wällen. Den Hof (112 Fuß lang) nach Norden durchschreitend sehen wir rechts ein Schilderhaus auf dem Walle stehen, von links und von vorn drohen uns Schießscharten. Wir durchschreiten einen dunklen Gang und gelangen in ein 30 Fuß im Geviert messendes Magazin, in dem sich auch eine Küche befindet. Durch die Wand dieses Raumes führen schmale Gänge, die sich bis zur äußeren Mauer hinziehen.; hier erweitern sie sich nach rechts und links, wodurch schmale Kammern entstehen, die durch je 5 Schießscharten zur horizontalen Bestreichung des Grabens spärlich beleuchtet sind. Wir verlassen diese kellerähnlichen Räume wieder und steigen im Hofe bei dem Schilderhaus über Stufen bis zur Wallhöhe hinauf. In derselben Höhe wie der Hauptwall erhebt sich die Verbindung mit der nach Norden zu gelegenen Kasematte, die im Quadrat gebaut ist, dessen Seiten 40 Fuß lang sind. Von der Nordspitze aus schauen wir die etwas tiefer leigende kleine Bastion, die zum Schutz der Kasematte dient, und in der Wand des Wallgrabens eine Tür und rechts und links davon je 3 Schießscharten, die uns auch auf der Südspitze aufgefallen sind, als wir durch die schießschartenartigen Fenster der Offizierswohnungen hinausschauten. Sie gehören zu kellerartigen Räumen, von denen eine horizontale Bestrechung des Grabens möglich ist. Wir erkundigen uns noch, ehe wir Abschied nehmen, nach der Größe dieses Baues. Die Länge von der Nord- zur Südspitze beträgt 120 Meter, die von der West- zur Ostspitze 80 Meter. Der Wallgraben, dessen Wände fast senkrecht abfallen ist, wie schon gesagt wurde, 5 1/4 bis 6 1/4 Meter breit. Mit dem Glacies nimmt das Fort eine Fläche von über 2 Hektar ein.”

Einige Bilder zum heutigen Zustand:

 

Der Zugangshinweis heute

 

Blick in den Graben der Ostseite

 

 

Erhaltene Steinpackungen des Grabens an der Südseite

 

Teilerhaltene Kasematte an der Südwestspitze

 

 

Auf dem Fortgelände

 

Verwendete Literatur:

(1): Tschitschke: Die alten Befestigungen in der Grafschaft Glatz und Fort Wilhelm bei Voigtsdorf, Glatzer Heimatblätter, 6. Jahrgang Nr. 2, Juni 1920, S. 47 bis 59
(2): diverse Autoren: Die Grafschaft Glatz, Online-Veröffentlichung unter grafschaft-glatz.de

© Dieter und Susanna, 2007