OKH – Hauptquartier „Mauerwald“ (Fritz – Quelle)
Am nördlichen Ende der großen Masurischen Seenkette, am Przystansee in der Nähe des Forsthauses Mamerki befindet sich einer der am besten in Polen erhaltenen deutschen Bunkerkomplexe – Schutzanlagen aus dem 2. Weltkrieg. Mamerki.
In den Jahren 1941-1944 hatten hier das Hauptquartier des OKH und das Quartier des Heereshauptversorgungsdienstes den Sitz.
Dieser Komplex (ca. 18 km von der FHQ in Rastenburg entfernt), der den Decknamen „Mauerwald“ erhielt, war ein von mehreren in Ostpreußen errichteten Hauptgefechtstände. Im Umkreis von 60 km von FHQ „Wolfschanze“ wurden Gefechtsstände für Stäbe der meisten deutschen Truppenarten unterbracht.
In Pozezdrze entstand das SS-Quartier (Himmler), in Szeroki Bor – das Göring- Quartier, in Goldap das Quartier und die Versuchsanstalt der Luftwaffe (Deckname Robinson), in Radzieje das Quartier des Reichskanzleichefs, in Nikolaiken – die Abwehra-zentrale, in Gizycko – die Abwehrabteilung der „Fremde Heere Ost“, die Informationen von den russischen Gefangenen gewann (Gehlen). Außerdem hatten hier der Außenminister Ribbentrop – in Sztynort und am Swiecajtysee und Göring in Rominickaheide ihre Residenzen.
Der Komplex in Mamerki hatte einen ausgezeichneten Standort. Gelegen am Ufer des Przystansee befand er sich mitten in einem inneren Befestigungsring des sog. Festen Platzes Gizycko (des am stärksten fortifizierten Teiles Ostpreußens). Vom Osten war er zusätzlich durch den breiten Mamrysee geschützt, vom Norden durch den Masurischen Kanal (dessen Bau nie vollendet wurde, aber der erste Abschnitt vom Mamrysee bis zur ersten von den gebauten Schleusen wurde mit Wasser gefüllt), und weiter noch durch einen großen Panzergraben, der sich einige Dutzend Kilometer zwischen den Seen zog, vom Süden – Dobskiesee mit seinen sumpfigen Ufern und die Abwehrlinien der FHQ „Wolfschanze“. Was interessant ist, der ganze Komplex der Betonbunker wurde mitten in einem Sumpfgebiet, in einem sumpfigen, übrigens auf dem rechten Ufer des Mamrysees einzigen Laubwald errichtet. Vom Westen begrenzte die Bahnlinie Rastenburg – Angerburt den Komplex, und durch seine Mitte verlief eine diese Ortschaften verbindende Straße. Die Straße teile „Mauerwald“ in zwei Teile; der tiefer im Wald, zwischen der Straße und der Bahnlinie liegende Bereich nahm das Quartier des OKH ein – Deckname „Fritz“ (in manchen Quellen „Anna“), und am Ufer des Mamrysees liegenden Bereich fand der Heereshauptversorgungsdienst – Deckname „Quelle“ seinen Sitz. Das OKH bildeten: Generalstab des Heeres, Organisationsabteilungen des OKH – Generalstabes, Allgemeine Militärabteilung des OKH, schon erwähnte Abteilung Fremde Heeren Ost. Trotz des Namens – Generalstab des Heeres – trug er keine Verantwortung für die Militäroperationen an allen Fronten, sondern nur für die Handlungen an der Ostfront. Operative Verantwortung für die Oberkommandos der Armeen in Frankreich, Skandinavien, Afrika und im Balkan erfüllte Oberkommando der Wehrmacht. Aber das OKH war für die Versorgung, Nachrichtendienst, und die Organisation des Militärs auf allen Kriegsgebieten verantwortlich.
Auf der Fläche von 6 qkm wurden in den Jahren 1941 – 44 ca. 220 Objekte errichtet, davon sind bis heute 29 Stahlbetonbunker und einige Dutzend anderer Bauten erhalten geblieben. Sie bildeten einen Komplex mit allgemeinem Decknamen „Mauerwald“. Er war in 2 selbständige Quartiere untergliedert: „Quelle“ – zwischen dem See und der Straße gelegen und „Fritz“ zwischen der Straße und der Bahnlinie. Es wurden äußere natürliche Geländeverhältnisse genuutzt, um die Sicherheitszone zu bilden: vom Norden Masurischer Kanal, vom Westen Pristaniensee, vom Süden der Rand des Mauerwaldes (davon der Quartierdeckname), vom Westen die Bahnlinie Rastenburg – Angerburg – Goldap, die durch das FHQ „Wolfschanze“ verlief. Die inneren Sicherheitszonen umgaben den Bereich beider Quartiere in geringer Entfernung von den Randgebäuden. Sie wurden durch einen gesperrten Abschnitt der Straße Rastenburg – Angerburg geteilt, der den Namen „Hauptstraße“ trug. Die äußere Sicherheitszone bestand aus einem Schützengrabensystem und dem Stacheldrahtverhau, mindestens 4 Wachgebäuden und am Rande der Zone aufgebauten Flugabwehrstellungen. Entlang der Umzäunung befanden sich je 300 m Betonsäulen mit einer Nische für Telefonapparat und mit der die Gegend beleuchtenden Laterne.
Das „Quelle“-Quartier bildeten über 50 Objekte, von denen die meisten auf Ziegelfundamente gesetzte Holzbaracken waren. Sie wurden in Massen im Auftrag des OKH als Einheitsbauten errichtet. Die Sicherheit im Fall eines Luftangriffes bietenden Hauptbauten waren die Schutzbunker. Sie teilten sich in technische Schutzanlagen, die in der B-Festigkeitsklasse gebaut wurden und in Wohn- und Stabschutzanlagen, die in 2 Ausführungen errichtet wurden: mit 2 und 5 Räumen (V2 und K5) und mit 2 Festigkeitsklassen: normal – Festigkeit B und „ausgebaut“ Festigkeit A. Die Standartschutzanlage mit dem Ausmaß 11x14x4,5 m hatte 2 in den inneren Korridor führende Eingänge, verriegelt durch 2 (V2) oder 4 (K5) Schießscharten. Der Korridor besaß 2 Paar Stahltüren beiderseits. Zwischen ihnen befand sich der Eingang (K5) oder zwei Eingänge (V2) in die Nutzräume, geschützt durch die gasdichte Tür. Die Schutzanlagen besaßen elektrische und fernmeldetechnische Leitungen, Filter- und Lüftungsanlagen, Zentralheizung und sanitäre Anlagen. Die Dicke der Wände und der Decke betrug über 2 m. Die äußeren Wände wurden mit einer Mischung von Beton, Meeresgras und Spänen „verputzt“, die bei Tarnung half, obwohl ihre Hauptaufgabe war, den Teil der Stoßwelle zu dämpfen und die Energie der Splitter von den in der Nähe des Bunkers detonierenden Bomben oder großkalibrigen Geschossen abzusorbieren. Auf der Decke befanden sich Haken zur Befestigung von Tarnnetzen. Heute ist es schwer, die bemoosten graugrünen Wände der Schutzanlagen zwischen den Bäumen sogar aus einigen Metern Entfernung wahrzunehmen.
Die „ausgebauten“ Schutzanlagen (VO2 und KO5) entstanden durch das Verkleiden der Standartschutzanlage V2 oder K5 mit einer riesigen Betonhülle. Solch eine Anlage baute man auf einer Fundamentplatte mit der Dicke von ca. 3,5 m und dem Ausmaß 17,5 x 21,5 m, ferner mauerte man in der Entfernung von 40 cm von der hinteren und den Seitenwänden der Schutzanlage eine Wand in Ziegeldicke, nur stellenweise mit den anderen Teilen der Schutzanlage verbunden waren. Der auf diese Weise entstandene Raum wurde mit Zuschlagstoff oder Basaltsteinschlag gefüllt. Auf der Decke wurden 12 Stahlbetonsäulen mit einer Höhe von 4m gestellt, dazwischen verflocht man ein Netz aus Bewehrungsstäben. Auf eine so vorbereitete Konstruktion goß man eine monolithische Betonschale mit dem Ausmaß der Fundamentplatte und der Höhe von 8,5 m, es wurde nur ein entlang der Frontwand von einer Seite auf die gegenüberliegende verlaufender Korridor gelassen. Die Seiten der so entstandenen Schutzanlage verengten sich leicht nach oben, und auf der ganzen Deckenfläche befand sich ein 40 cm tiefes Becken, der das Einpflanzen der Bäume und Sträucher zu Tanrnungszwecken ermöglichte. Die Nutzräume waren identisch mit denen in den nicht ausgebauten Anlagen. Im „Quelle“- Komplex gibt es 4 V2-Schutzanlagen und je eine VO2 und KO5.
Die Bunker der Energieanlagen errichtete man am Hang an der Straße. Zwei nebeneinander stehende Objekte hatten ein gemeinsames Fundament, das im vorderen Teil in das auf Betonsäulen gestützte Rampendach zum Verladen der flüssigen Brennstoffe überging. Im Fundament gab es ein System von Rohren und Instalations- und Kabelkanälen. Das waren Objekte der B-Klasse mit einer ca. 1m dicken Betondecke, die auf I-Stahl „260“ gestützt waren und mit einer Abstandshaltergewölbe aus 5 mm Stahlblech. Der Kraftwerkbunker fasste 5 Stromgeneratorsätze, die mit Dieselmotoren angetrieben waren und auf speziellen Motorträger gesetzt waren. Die Motorträger standen auf Spiralfedern, die sie von den Fundamenten isoliert haben. Das minderte die Schwingungen der Sätze und den Lärm im Bunker. In der Bunkerhalle mit dem Ausmaß von 10 x 13 m gab es auch Niederspannungschaltwerk und Transformatoren. Das Innere des Schutzraumes wurde nach dem Krieg teilweise in die Luft gesprengt. Der zweite, etwas kleinere Bunker diente als Kesselraum.
Stromgeneratorsätze bildeten die Energienotversorgung. Normalerweise wurde die Elektroenergie den Komplexen mittels einer Industriehochstromübertragungsleitung über in Bunkern unterbrachten Umspannanlagen zugeführt. Jeder Komplex hatte eine getrennte Energieversorgungsanlage und eine eigene Umspannanlage. Der Trafo-Bunker fasste 4 Transformatoren mit der Leistung je 320 kW (jeweils einer für jede Phase und Reservetransformator). In einem getrennten Raum gab es das Niederspannungschaltwerk. Die Transformatoren waren mit Panzertüren geschützt.Den Luftwechsel ermöglichten die Jalousien aus L-Stahl.
Am Seeufer befanden sich die Wasserentnahme und das erste Pumpwerk. Es förderte Wasser zum Bunker der Wasseraufbereitungsanlage, der sich an der Straße, aber bereits im „Fritz“- Komplex befand. Die Wasseraufbereitungsanlage belieferte beide Quartiere.
Neben den Schutzanlagen befand sich das Gebäude des Offizierskasinos und die Küche. Die Küchen hatten in einem Betonkeller mit verstärkter Decke und Stahlfensterläden ihren Sitz. Dort gab es auch einen Bunker für Kasinogäste, der das höhere gemauerte Stockwerk beanspruchte.
Die anderen Objekte der Quartiere waren überwiegend hölzerne Baracken, in denen es Wohn- und Stabsräume, Krankenhäuser, sanitäre Anlagen und Duschen, Werkstätte und Unteroffizierskasinos gab. Während der gesamten Belegungszeit des Quartiers konzentrierte sich das ganze Leben gerade in diesen Baracken. Bis zur Mitte des Jahres 1944 trat keine Gefahr eines Luftangriffes auf, die zur Nutzung der Schutzräume gezwungen hätte.
Das „Fritz“- Quartier nahm ein viel größeres Gelände in Anspruch, auf dem sich über 170 verschiedene Objekte befanden. Die meisten von ihnen fasste man in zwei Anlagen, die größere war die nördliche (entlang der Bahnhof- Straße gelegen war direkt mit dem Stab des OKH verbunden); die zweite beim Süd Ring, genannt Brigitten-Stadt (befand sich im Süden des Quartiers; hier gab es Nachrichtenzentrale). Zwischen diesen beiden Anlagen gab es Sümpfe.
In diesem Quartier wurden 4 Schutzanlagen des Typs K5, 8 des Typs V2, Kraftwerk, Trafo-Bunker (identisch mit dem in „Quelle“), Wasseraufbereitungsanlage mit einer Hydrophoranlage und 2 Bunker der Nachrichtenzentrale gebaut. Hier befinden sich auch zwei Objekte, die von den Deutschen nicht mehr beendet wurden.: Bunker VO2, der auf Umbau mit der Betonschale vorbereitet ist (unvollendet) und ein Fundament für den größten Bunker, der in Mauerwald entstehen sollte.
Das Kraftwerk ähnelt dem des vorher beschriebenen Komplexes, war aber größer. Der Bunker hatte die Abmessungen 21 x 13 m und fasste 7 Generatorensätze. Vor den Panzertüren mit dem Ausmaß von 250 x 220 cm wurde an der Bahnhofsstraße unter der Erde ein zylindrischer Stahlbehälter für Brennstoffe mit einem Rauminhalt von 75 – 80 m³ vergraben. Neben dem Kraftwerk steht auf einer mit dem Kesselraumbunker abschließenden Betonplatte ein gemauerter Schornstein. Der Kesselraum – das Objekt mit größter Kubatur in Mauerwald (765 m³) – 1,5 m in der Erde) – hat Fundamente für zwei waagerechte Kessel mit einer Länge von ca. 7 m. An einer der kürzeren Seiten befindet sich eine getrennte Stelle für die Feuerung, über welche man den Steuerraum bediente. Das geringe Ausmaß des Feuerungsraumes suggeriert, dass man den flüssigen Brennstoff benutzte – Heizöl, Masut (was bei angeblicher Anwendung der waagerechten Rohrkessel, deren Leistung nicht die höchste ist und bei bekannten Problemen Deutschlands mit Energieversorgung merkwürdig erscheint). Die Kessel mussten einen Durchmesser von unter 2 m haben oder ihr Anbau mußte vor dem des Bunkers erfolgen, denn die größte Öffnung in den Wänden, dazu noch an der kürzeren Bunkerseite, hatte das Ausmaß von 2 x 2,5 m.
Aus einigen Gründen ist der Bunker der zur Wasserversorgung dienende Bunker interessant. In einem identischen Objekt (obwohl damals besser erhalten) in Jelen in der Nähe von Tomaszow Mazowiecki hatte einige Jahre hindurch ein Lodziaer Explorationsklub „Labyrinth“ seinen Sitz. Das untere Stockwerk dieses Bunkers bilden 2 Behälter für reines Wasser beziehungsweise die Chlordosierungsanlage (in Jelen sind noch die Reste der die Betonwände der Behälter abdichteten bituminösen Masse und der komplizierten hydraulischen Installationen erhalten geblieben). Das obere Stockwerk fasste die Aufbereitungsanlagen (Koagulantanlagen, Filter, Ionenaustauscherfilter?) und Pumpen. Die zweite interessante Einzelheit, die dieses Bunker betrifft ist, das in den 80er Jahren das Militär in seinem Inneren Blindgänger sprengte, was die Zerstörung der Behälterdecke und die Entstehung der Risse in den Wänden nach sich gezogen hat. Das Interessanteste ist aber, dass der Bunker 30 m von einer stark frequentierten Straße, 150 m von einer Bushaltestelle und 300 m von einem Zeltplatz entfernt ist, und die einzige Warnung, und zwar nur in der Sommerzeit bildete ein Schild mit Inschrift „Militärgebiet – Eintritt verboten“. Heutzutage ist so etwas unvorstellbar…
Im nordwestlichen Teil des Quartiers befand sich die Bahnstation, die Lagerhäuser und die Umschlagrampen. In der Nähe der Gleise befindet sich der früher erwähnte unvollendete Bunker VO2. Auf einer Betonplatte steht ein typischer Bunker mit zwei Räumen (V2), vollständig fertiggestellt, der die Spuren einer normalen Benutzung trägt. Entlang der Seitenwände und der Hinterwand sind die Spuren einer Ziegelmauer erkennbar, und auf der Decke stehen Betonsäulen. Es ist ein rares Beispiel der Konstruktion der schwersten deutschen Bunker, die das Studium seiner Bautechnologie ermöglicht.
Im Süden des Quartiers am Weg (Südring) befinden sich zwei Zwillingsbunker, die angeblich die Fernmeldezentrale beherbergten. Darauf deuten ziemlich große Räume mit vielen Installationskanälen im Boden und Spuren einer großen Anzahl von Kabeln an den Wänden hin. Diese Bunker, mit schwächerer Konstruktion als die anderen, verfügen als einzige über Treppenhäuser, die zur ihrer Decke führen und durch einen unterirdischen Gang verbunden sind. Zwischen den Bunkern steht das einzige gemauerte Objekt, das in Mamerki erhalten blieb – ein kleines, zweiräumiges Gebäude mit Fenstern, den Glasurresten an den Wänden und einem nebenan stehenden massiven Schornstein. Es wurde von uns „Küche“ genannt.
Auf der anderen Straßenseite, in einem riesigen Aushub befindet sich das Fundament für das größte Objekt, dass man in Mamerki angefangen hat, zu bauen. Das Fundament hat das Ausmaß von 74 x 37 m und befindet sich in verschiedenen Ausführungsstadien, von einem 40 cm dicken Streifenfundament, über eine meterdicke Betonplatte bis zum beinahe 5 m hohen richtigen Fundament mit den sichtbaren Installationskanälen, in denen man nach dem Krieg die Sprengladungen in der Suche nach unterirdischen Gängen anzündete. Die Gänge wurden nicht gefunden und die Ergebnisse der Detonationen sind eher bescheiden. Auf dem tieferen Fundamentteil sind ca. 20 Stahlbetonsäule sichtbar. Der Bunker, der auf diesem Fundament entstehen würde, hätte das Ausmaß wie etwa der „ Neue Fernmeldebunker“ in Wolfsschanze.
Der sumpfige Wald in Mamerki wurde gründlich melioriert und entwässert. Bis heute funktionieren mache Brummen unter den Straßen. Das hatte eine kolossale Bedeutung, weil in diesem mit Wasser durchtränkten, sumpfigen Wald die Konstruktionen mit mehreren Tausend Tonnen Gewicht standen (der große umgebaute Bunker des Typs KO5 hat ein Gewicht von 12-15 Tausend Tonnen). Neben Melioration wurde das ganze Quartiersgebiet mit einem Netz von elektrischen, telefonischen, sanitären, Wasser-, Feuerlösch-, und Heizungsinstallationen bedeckt. Sie verliefen in geringer Tiefe unter der Erde, und Zugang zu ihnen ermöglichten hunderte von einst mit kleinen eckigen Stahlplatten bedeckten Einsteigeschächten, die alle paar Meter gebaut wurden. Ich beschreibe sie so genau, weil sie unser böser Traum während der Suche und der Messungen in Mamerki waren. Man musste sehr aufmerksam unter die Füsse schauen, trotzdem ist es jedem von uns gelungen, in „seinem“ Schacht zu landen. Manchmal endete das mit einem schmerzenden Knie, ein andermal saß man bis zu den Hüften im schlammigen Wasser. Auf den Erhebungen an den Straßen befanden sich 3 Löschteiche, in den Senken, aber oberhalb des Grundwasserspiegels befanden sich einige (wir fanden drei) Klärbecken. In den 90- er Jahren wurden die meisten bei Waldarbeiten zugeschüttet.
Im Juni 1940 begannen die Bauarbeiten beim FHQ „Wolfsschanze“ in Gierloz. Einige Zeit später begann man mit dem Bau vom OKH – Hauptquartier „Mauerwald“ in Mamerki. Die Decknamen „Mauerwald“, „Fritz – Quelle“, „Anna – Quelle“ werden in verschiedenen Quellen ersatzweise erwähnt, in den Erinnerungen deutscher Offiziere taucht eher die Bezeichnung „Mauerwald“ auf. Meist erfogte keine weitere Abgrenzung auf einzelne Teile, die historischen Quellen verwenden häufiger die angegebenen zweiteiligen Namen. Ich habe die Terminologie aus dem Buch von Peter Hoffmann „Die Sicherheit des Diktators“ übernommen. Diesem Buch habe ich auch die meisten deutschen Städtebezeichnungen, die Mamerki betreffen entnommen.
Auf den Standort des Quartiers hatten einige Faktoren Einfluss. Erstens – die Nähe des FHQ in der 18 km entfernten Gierloz. Zweitens – der Wald, durch den die Bahnlinie und die Verkehrsstraße verlief (man sollte betonen, dass das der nächste Wald in der Umgebung von „Wolfsschanze“ war, der solche guten Verkehrsanbindungen hatte), der die Möglichkeit bot, leicht die Objekte zu tarnen, auch während der Bauzeit. Drittens – ein gutes Verkehrsnetz. Das bedeutete leichte Lieferung der Baumaterialien. Und man sollte nicht vergessen, dass sie im ländlichen, schwach industriell entwickelten Ostpreußen nicht allzu oft vorhanden waren. Viertens – im 1940 wegen des Krieges brach man den Bau des Masurischen Kanals ab. Einen Schritt von Mamerki entfernt befanden sich die Lagerstätten der unbenutzten Materialien: Zuschlagstoffe, Stahl, Holz, aber auch Maschinen und Geräte. Hier existierte die ganze Infrastruktur, die man beim Bau von großen Stahlbetonkonstruktionen benötigte, welche ursprünglich zum Bau der größten binnenländischen Schleusen in diesem Teil Europas dienen sollten. Angeblich gab es auch die Möglichkeit, einen Teil der Arbeiter, die Erfahrung bei Errichtung der Stahlbetonbauten hatten, in Anspruch zu nehmen.
Und fünftens – die Lage von „Mauerwald“ schuf die günstigen Bedingungen zu einer wirksamen Führung des Krieges gegen Rußland, und viele deutschen Offiziere sahen bereits im Jahr 1940 die Unvermeindlichkeit der Entscheidung Hitlers für den Angriff auf die UdSSR. Aus diesem Grund gewannen die früher erwähnten Abwehrbedingungen des Gebietes für das Quartier an Bedeutung. Außerdem erleichterte die dortige Unterbringung des Hauptquartiers des Versorgungsdienstes des OKH die Verwaltung über große Kriegsvorräte, die in Ostpreußen gelagert wurden.
Ein eindeutiger Nachteil des Standortes war der sumpfige Boden, der sich schwerlich zum Bau eignete. Dieses Problem löste man dank der Geschicklichkeit der Ingenieure, die vor beinahe 60 Jahren diese Moloche so entworfen und gebaut haben, dass sie bis heute stehen und sich nicht neigen, nicht bersten und nicht absinken. Wir wissen nur nicht, wie die Deutschen das Problem der Tausende von Mücken gelöst haben, die jeden, der die Waldgrenze in Mamerki überschreitet, angreifen,….
Nach den nötigsten Entwässerungsarbeiten, die mit Baumausschneiden und Geländeerschließung verbunden waren begannen in der zweiten Hälfte des Jahres 1940 die Bauarbeiten. In der ersten Phase begann man den Bau des Komplexes „Quelle“ auf dem am Ufer des Mamry – Sees liegenden, zum Bauen günstigeren Gebiet. Der Bau wurde bis zu geplanter Größe durchgeführt. „Fritz“ wurde bis zur Mitte des Jahres 1944 ausgebaut, bis zum Moment, als die Deutschen begannen, unter dramatischen Rohstoff- und Beförderungsproblemen zu leiden, und die Gefahr des Angriffes der Roten Armee auf Ostpreußen real wurde.
Das Quartier „Mauerwald“ war seit 1941 ein wichtiges Glied des deutschen Führungssystems. Hier wurde der Plan des Angriffes auf die UdSSR „Barbarossa“ ins Leben gerufen. Hier entstanden Operationspläne für weitere Etappen des Krieges mit Rußland. Hier versuchten 1500 Stabsoffiziere, den übertriebenen Ambitionen Hitlers über den Sieg über Rußland innerhalb von einigen Monaten gerecht zu werden. Als das mißglückte, wurde der Stab des OKH im Mai 1942 nach Winnica in der Ukraine, in das neu geschaffene Quartier verlegt. Das sollte die Befehlskette verkürzen und das System der operativen Führung an der Ostfront verbessern. Aber schon in der Wende des Novembers und des Dezembers 1942 kehrte der Stab des OKH nach Mauerwald zurück. Das wurde durch das Anhalten im Oktober der deutschen Offensive bei Moskau und der ersten Niederlagen der Wehrmacht in der russischen Kampagne als auch durch die strengen winterlichen Bedingungen, welche den deutschen Offizieren im eher primitiven im Vergleich zu Mamerki Quartier hart zugesetzt haben, verursacht. Der Stab des OKH ist in Mamerki bis zum Ende des Jahres 1944 geblieben, als alle Objekte durch die Truppen der 4. Armee unter General Hossbach besetzt wurden. Die Deutschen zogen sich von hier kampflos am 20. Januar 1945 zurück. Sie flohen vor der Einkesselung durch die Truppen der 3. Weißrussischen Front. Im Unterschied zu „Wolfsschanze“ wurden die Bunker in Mamerki nicht gesprengt.
Mit Mamerki sind einige wenig bekannten, aber kennzeichnenden Episode des 2. Weltkrieges verbunden.
Im Quartier „Mauerwald“ wurde der Sprengstoff zu dem bereits im Jahr 1943 vorbereiteten Hitler – Attentat aufbewahrt. Hans von Herwarth, einer der Verschwörer, beschreibt das: „ Es war ein englisches Erzeugnis, angeblich von einer größeren Sprengkraft als die deutschen Sprengstoffe“, und er wurde zuerst unter einem Bett in der Baracke der Verwaltungsabteilung des Generalstabes des OKH aufbewahrt. Später wurde er im Wald in der Nähe der Baracke vergraben. Nebenan vergrub man auch Unterlagen, die Befehle für den Tag des Hitler- Umsturzes enthielten. Der Sprengstoff wurde bald durch die Hunde der Geheimen Feldpolizei aufgespürt, was beinahe mit dem Entlarven der Verschwörer geendet hätte; Unterlagen wurden nicht gefunden. Die Verschwörer wagten auch nicht, sie auszugraben, angeblich liegen sie bis an den heutigen Tag dort, wo sie vergraben wurden…
Der Sprengstoff, der beim Hitler – Attentat am 20. Juli 1944 von Oberst von Stauffenberg verwendet wurde, stammte auch aus „Mauerwald“, und er wurde aus einem Pionierlager entwendet.
In „Mauerwald“ traf man Entscheidungen über die Bildung der russischsprachigen (aus Gefangenen gebildeten) Militäreinheiten, die mit Wehrmacht an der Ostfront zusammenarbeiteten. Hier lancierte u.a. Stauffenberg die Theorie über die Notwendigkeit der Bildung einer russischen Aufstandsarmee, die unter der Führung des russischen Generals Wlasow, der in Gefangenschaft in der Mitte des Jahres 1942 geriet, gegen Stalin und Kommunismus kämpfen sollte. Die Idee wurde erst 1945 durch die SS verwirklicht, als das Schicksal des Krieges schon besiegelt war.
Nach dem Frontübergang wurden die masurischen Quartiere durch die rückwärtigen Truppen der Roten Armee „gesichert“. Darunter verstand man vor allem den Abtransport aller Geräte, die von den Deutschen nicht rechtzeitig abgebaut wurden, in Richtung Rußland. Bei dieser Gelegenheit wurden alle Leitungen und Rohre aus dem Boden gerissen, alle Panzertüren in den Bunkern abgeschnitten, genauso wie die Gleise von den meisten vom Norden nach Süden (Strecken, die damals für Russen wertlos waren) verlaufenden Bahnlinien, die in die Eisenhütten geschickt wurden. Man legte Sprengstoffladungen an die Stellen, wo man versteckte Schätze, Dokumente oder unterirdische Räume erwartete. Am Ende der 40er Jahre durch die Polnische Armee übernommene Objekte sprengte man bis zum Ende der 80er Jahre mit Minen und Blindgängern, dadurch verwandelte man die meisten vom Krieg unberührten Bunker des Masurischen Festen Platzes in Trümmerhaufen. Die Holzbaracken dienten lange Zeit als Bau- und Heizmaterial für die hier in den 50er Jahren entstehenden LPGs und hiesigen Bewohner. Ziegel aus den Untermauerungen und kleineren Objekten verschwinden bis heute.
Zum ersten Mal besichtigte ich Mamerki in der Mitte der 70er Jahre während einer Fahrt durch Masuren im Rahmen eines Segelkurses. Fasziniert durch die riesigen Bunker kam ich schon mit meiner Ehefrau 1982 zurück. Die Entfernungen mit Schritten messend, verfassten wir den ersten, damals noch ungenauen Lageplan der „Bunker in Mamerki“. Als Basis benutzten wir die alte „Stabskarte“ aus der 60er Jahren ( ein Abdruck einer deutscher Vorkriegskarte mit veränderten geographischen Namen und verzeichneten Brücken, Gebäuden, Bahnlinien, die seit dem Kriegsende nicht mehr existierten). Eine Woche lang wateten wir im Sumpf, kämpften sich durch Gestrüpp und Brennessel im damals durch die Försterhand unberührten Wald durch, dabei „entdeckten“ wir weitere Bunker und Fundamente. Die Objekte verschwanden so gut im Gelände, dass das Auskundschaften von ihnen uns drei nachfolgende Urlaube, und zwar in einer durch Bekannte gestärkten Gruppe, in Anspruch nahm. Um die Bunker auf den damals gemachten Fotos zu erkennen muss man sehr viel Einbildungskraft haben (in den kommenden Jahren begann man mit dem Ausschneiden einiger Waldstücke, was uns ermöglichte, auf die Bunker aus anderer Perspektive zu sehen). Einige Jahrzehnte kamen wir bei den Segelfahrten auf den Masuren immer wieder nach Mamerki, um etwas abzumessen, ein paar Fotos zu machen, ein uns noch unbekanntes Objekt im Wald zu finden oder eine am winterlichen Abend gemachte Hypothese zu beweisen. In diesen Jahren wuchs bei uns eine dicke Mappe mit Zeichnungen, Plänen, Fotos des Quartiers in Mamerki, wir sammelten auch einiges an Literatur und Archivalien zu diesem Thema. Letztmalig besuchte ich Mamerki während des Treffens des Vereins der Denkmalsucher im Mai dieses Jahres…
Die Objekte in Mamerki wurden nach dem Krieg weder durch das Militär, dem sie gehörten, noch durch die Försterei, die das Gelände verwaltet, genutzt. Es ist eines von zwei großen Bunkerkomplexe in Masuren, das in einem recht guten Zustand erhalten blieb, was uns eine Vorstellung über die Formen, das Funktionieren und die Bautechnologie der deutschen Führungsquartiere im 2. Weltkrieg gibt. Der Ausflug durch die Überreste des OKH – Hauptquartiers in Mamerki veranschaulicht die enormen technischen Möglichkeiten im Bereich der Errichtung von Bunkeranlagen, welche die Deutschen vor 50 Jahren besaßen, aber das gibt auch ein Bild einer gewissen Megalomanie der deutschen Führer und Generäle, die immer größere, stärkere und raffinierte Betonpyramiden errichteten, und sich dabei im Bestreben übertrafen, dass ihr Quartier das widerstandsfähigste gegen einen zweifelhaften Feindangriff war, und die angewandten Lösungen – raffinierter als in den „Konkurrenzquartieren“ der Stäbe anderer Formationen, ungeachtet des Kostenaufwandes, der technischen Schwierigkeiten und die am Kriegsende schrumpfenden Möglichkeiten der deutschen Industrie. Die Quartiere in Mamerki und in Gierloz wurden ziemlich intensiv noch im Sommer 1944 ausgebaut. Diese Bunker verdeutlichen den Ausgang der Bauepoche der großen oberirdischen Fortifikationen. Die Gefahr, die mit der Entstehung der Kernwaffen und immer besserer Raketensysteme auftauchte, verursachte, dass die heutigen Fortifikationen immer tiefer unter die Erde kommen….
Juliusz Szymanski
Der Originalartikel erschien im „Explorator“ Nr 6/1999
Übersetzung: Andrzej Mazul-Guty, Gesellschaft für Militärarchäologie Pommern
© aller Fotos: Andrzej Mazul-Guty, Gesellschaft für Militärarchäologie Pommern